Sollen Investoren beim TSV 1860 einsteigen?
Viel wurde in den letzten Tagen diskutiert über den Einstieg eines Investors beim TSV. Während die einen himmelhochjauchzend diese Diskussionen führten waren andere eher zu Tode betrübt. Im Grunde ließ sich ein jeder von seinen Emotionen leiten, was dem Niveau nicht unbedingt immer zuträglich war. Im Löwenforum wurde ein Beitrag veröffentlicht welcher nun hoffentlich zur Versachlichung der Diskussionen beizutragen hilft. Dieser Beitrag wurde heute, am Donnerstag den 07.04.2011, an die Presse versandt.

Sollen Investoren beim TSV 1860 einsteigen?

Überblick zur unternehmensrechtlichen Struktur der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA und zu den theoretisch möglichen Folgen eines Anteilsverkaufs


von
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Roman Beer,
Dr. Alexander Mutschler,
Dr. Andreas Petri,
Mitglieder der 2007-2009 arbeitenden Satzungskommission des TSV München v. 1860 e.V.




Der Profifußball-Betrieb (bestehend aus I. und II. Mannschaft (U23) sowie der A-Jugend (U19)) ist beim TSV 1860 in einer eigenen Unternehmensstruktur, der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA ausgegliedert.

Es gibt daher heute drei juristische Personen bei 1860:
- den TSV München von 1860 e.V.,
- die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA und
- die TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH.

Im e.V. kann jeder Mitglied werden; Fußballfans vorzugsweise in der Fußballabteilung, die sportlich gesehen für die E- bis B-Jugend zuständig ist.

Die für den Profifußball zuständige GmbH & Co. KGaA stellt eine besondere Rechtsform dar, die vor allem von Fußballvereinen gerne gewählt wurde, um ihren Profibetrieb auszugliedern (z.B. Borussia Dortmund, Werder Bremen oder 1. FC Köln).
Es handelt sich im Grunde um eine Kommanditgesellschaft (KG), die wie jede KG aus einem voll und persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär, bei 1860 ist dies die TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH) und weiteren, nur mit ihrer Einlage haftenden Gesellschaftern (Kommanditisten, bei 1860 ist dies bislang als einziger Kommanditist der TSV München von 1860 e.V.) besteht.
Um auch die Haftung des Komplementärs zu beschränken, wurde für diesen die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, bei 1860 ist dies die TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH) gewählt. Alleiniger Gesellschafter der GmbH ist der TSV München von 1860 e.V., wobei dieser nur mit seiner Einlage in die GmbH haftet. Laut den Richtlinien der DFL (Deutsche Fußball-Liga) muss der Anteil des e.V. an der Geschäftsführungs-GmbH stets 100% betragen (Vgl. § 8 Abs. 2 der Satzung des Liga-Fußballverbands e.V.).
Die Kommanditisten halten bei einer Kommanditgeselllschaft auf Aktien (KGaA) ihre Gesellschaftsanteile in Form von Aktien, wodurch diese leichter handelbar sind. Alleiniger Kommanditist („Aktionär“) der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA ist derzeit der TSV München von 1860 e.V., wobei die DFL einen vollständigen Aktienverkauf an Dritte (eventuell sogar mit einem Börsengang wie bei Borussia Dortmund) erlaubt.

Hintergrund für die Richtlinien der DFL ist die gesetzlich geregelte und in der KGaA-Satzung weiter ausgestaltete Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Komplementär und den Kommanditisten: Der Komplementär verfügt über alle Handlungsrechte in der KGaA, während die Kommanditisten alle Vermögensrechte besitzen. Im Klartext heißt das, dass der Komplementär die alleinige Macht über die Geschäftspolitik der KGaA hat und die Kommanditisten nur auf Steigerungen des Werts der KGaA (Aktienwert) sowie Gewinnausschüttungen (Dividenden) hoffen können.
Damit ist – zumindest auf dem Papier – kein Einfluss von Investoren (Aktionären) auf die Politik der KGaA möglich. Dieser liegt allein beim Komplementär, der laut DFL stets zu 100% in den Händen des Muttervereins (e.V.) sein muss.

Die Unternehmensform der GmbH & Co. KGaA unterscheidet sich durch die strikte Aufteilung der Verfügungs- und der Vermögensrechte auf den Komplementär (GmbH) und die Kommanditisten (Aktionäre) somit deutlich von den Unternehmensformen der reinen GmbH und der AG, bei denen die Gesellschafter (GmbH) bzw. Aktionäre (AG) sowohl über die Verfügungs- als auch die Vermögensrechte verfügen. Nur bei Fußball-Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH (z.B. TSG Hoffenheim) oder AG (z.B. FC Bayern) greift daher die sogenannte „50+1“-Regel des deutschen Ligaverbands in ihrem wortwörtlichen Sinne: Mindestens 50% plus 1 Stimmanteil müssen beim jeweiligen „Mutterverein“ (e.V.) verbleiben, wodurch der Einfluss von Investoren auf die Kontrolle des Unternehmens verhindert werden soll. Bei einer GmbH & Co. KGaA ist dieser ungewünschte Investoreneinfluss durch den vom Ligaverband geforderten Verbleib von 100% der Stimmanteile an der vollhaftenden Geschäftsführungsgesellschaft (GmbH) beim e.V. gewährleistet, da die Kommanditaktionäre praktisch keinen Einfluss auf die Politik der Geschäftsführung haben.

Organisatorisch gliedert sich das Konstrukt der GmbH & Co. KGaA wie folgt:
Laut DFL müssen die Anteile an der Geschäftsführungs-GmbH zu 100% beim e.V. liegen. Der e.V. als alleiniger Gesellschafter der GmbH wird in der GmbH-Gesellschafterversammlung durch die vertretungsberechtigten Personen des e.V. vertreten, d.h. gemäß Satzung des e.V. durch das Vereins-Präsidium (bei 1860 derzeit Dieter Schneider und Franz Maget). Die Gesellschafterversammlung bestellt den Geschäftsführer der GmbH (bei 1860 derzeit Robert Schäfer) und kann diesen auch wieder abberufen. Durch die Wahl des Geschäftsführers entscheidet das Präsidium des e.V. quasi über die strategische Ausrichtung der GmbH & Co. KGaA. Der Geschäftsführer ist verantwortlich für die operative Abwicklung des Geschäftsbetriebs der GmbH & Co. KGaA. Da die Wahl des Präsidiums beim TSV 1860 durch den Aufsichtsrat des e.V. erfolgt, der wiederum durch die aus den Reihen der Mitglieder gebildete Delegiertenversammlung des e.V. gewählt wird, haben die Mitglieder des e.V. – wenn auch auf sehr indirektem und eher theoretischem Wege – Einfluss auf die Geschäftspolitik der GmbH & Co. KGaA.
Die Kommanditanteile an der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA sind derzeit auf 2,6 Millionen Aktien aufgeteilt, die aktuell noch zu 100% im Eigentum des e.V. liegen. Allerdings wäre ein Verkauf des gesamten Aktienpakets an Dritte möglich. Bei der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist dies durch den im Jahr 2000 erfolgten Börsengang erfolgt, so dass derzeit nur noch rund 7,24% der Aktien beim Borussia Dortmund e.V. liegen und sich 82,66% in Streubesitz (z.B. Fans als Kleinaktionäre) bzw. bei einem Großaktionär (10,10%) befinden (Quelle: Wikipedia, 01.04.2011).
Die Kommanditaktionäre können ihre Rechte auf der Hauptversammlung der GmbH & Co. KGaA vertreten und hier den Aufsichtsrat der GmbH & Co. KGaA wählen. Bei 1860 befinden sich derzeit noch 100% der Aktien beim e.V., der in der Hauptversammlung durch das Präsidium vertreten wird. Bei einem Aktienverkauf würde der Einfluss des e.V. entsprechend reduziert, bis hin zu einer völligen Abgabe der Stimmrechte bei einem Verkauf aller Aktien. Der Aufsichtsrat der GmbH & Co. KGaA hat zwar ein Überwachungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Geschäftsführungs-GmbH, kann auf die Geschäftsführung allerdings keinen direkten Einfluss nehmen. Seine Zustimmungspflicht und somit sein Einflussrecht zu bestimmten Geschäften kann aber in der Satzung der GmbH & Co. KGaA geregelt werden, die weniger strikten gesetzlichen Vorgaben unterliegt, als es bei einer GmbH oder einer AG der Fall ist. Bei 1860 ist nach unserem Wissen eine solche Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats z.B. bei Grundstücksgeschäften ab einer bestimmten Größenordnung in der Satzung festgeschrieben. Änderungen an der Satzung der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA können nach unserem Wissensstand nur mit der Zustimmung sowohl von Kommanditisten (Hauptversammlung) und als auch des Komplementärs vorgenommen werden.

In der Theorie bliebe somit auch bei einem Verkauf aller Kommanditaktien an Dritte der Einfluss auf die Geschäftspolitik der GmbH & Co. KGaA weitgehend beim „Mutterverein“ (e.V.).
Gleiches gilt auch für die Minderheits-Anteilseigner einer AG oder GmbH, für die wie erwähnt die „50+1“-Regel im wortwörtlichen Sinne Anwendung findet.

Welche Motivation gibt es daher für „Investoren“ trotz der Beschränkungen seitens der DFL, sich an deutschen Fußball-Unternehmen zu beteiligen?
Aus unserer Sicht kann man 3 Beweggründe unterscheiden:

1) Persönlichkeitsbezogene Interessen:
Hierzu gehören Personen, die aufgrund einer engen persönlichen Bindung an den „Verein“ (de facto handelt es sich immer um ein Unternehmen) bereit sind, Anteile an dessen Unternehmen zu erwerben und diesem dadurch Eigenkapital zuzuführen. Dies können im klassischen Sinne Mäzene oder Gönner (Bsp. Dietmar Hopp in Hoffenheim) oder eine Masse von Fans (Bsp. Kleinaktionäre in Dortmund) sein. Eine Motivation für Dritte, deren emotionale Bindung zum „Verein“ bislang wenig bis gar nicht ausgeprägt war, könnte sein, über eine Beteiligung gesellschaftliche Anerkennung und Kontakte zu Entscheidungsträgern in Regionen und Wirtschaftsmärkten abseits ihrer Heimat zu erhalten. Unter Umständen könnte die Beteiligung an einem Fußball-„Verein“ auch als Prestigeobjekt innerhalb des gut betuchten Freundes- und Bekanntenkreis gehören und somit ein Art „Spielzeug“ darstellen, wie es vielfach auch Yachten oder Villen tun.

2) Klassische Aktionärsinteressen:
Hierzu gehören Personen, die eine Investition als Geldanlage sehen und eine Beteiligung an einem Fußball-Unternehmen aus den gleichen Beweggründen kaufen, wie sie für alle anderen Aktienkäufer gelten: Die Hoffnung auf Gewinnausschüttungen (bei Aktien: Dividenden) und eine Steigerung des Unternehmenswerts (bei Aktien: Kursgewinn). Als Beispiel können hierfür Anleger genannt werden, die Aktien der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA kaufen. Allerdings sind die Aussichten auf eine Dividende bei Fußballvereinen nahezu auszuschließen, da Überschüsse naturgemäß wieder investiert (vornehmlich in neue Spieler) werden. Auch die Hoffnung auf Kurssteigerungen ist sehr risikobehaftet, wie die Entwicklung vieler Fußballaktien weltweit gezeigt hat. Eine Möglichkeit, Gewinne aus dem Fußballunternehmen zu erlösen, bestünde noch darin, die Geschäftsführung dazu zu bewegen, die Erlöse zu steigern (bspw. durch höhere Eintrittspreise) oder die Ausgaben (bspw. für den Spielerkader) zu senken, was aber beides nicht dem Zuschauerinteresse entsprechen dürfte.

3) Interessen an einzelnen Geschäftsfeldern des „Vereins“
Auch wenn die Einflussrechte eines Investors auf den Geschäftsbetrieb eines Fußballunternehmens in der Theorie quasi ausgeschlossen sind, so kann in der Praxis doch ein faktischer Einfluss durch einzelne Geldgeber entstehen. Als Beispiel sei der Einstieg von Adidas mit 10% der Aktien beim FC Bayern zu nennen, der dem Sportartikelhersteller dauerhaft die „moralische“ Bindung des „Vereins“ an seinen Ausrüster sichert und somit einen Vorteil gegenüber möglichen Konkurrenten um die Trikotausstattung der Bayern und somit auf Erlöse aus dem Fanartikelverkauf sichert. Ähnliche faktische Einflüsse sind auch hinsichtlich eines Sponsors denkbar, der gleichzeitig als Investor auftritt (z.B. Audi beim FC Bayern). Allerdings könnte auch die Gefahr bestehen, dass sich eine Spielervermittlungsagentur durch ihre Beteiligung an einem Fußballunternehmen eine Geschäftsbeziehung zum „Verein“ sichert, die ihr ständige Gewinne aus Transferprovisionen sichert.
Letztlich ist in dieser Interessenkonstellation auch der Einfluss dubioser und halbseidener Geschäftspartner nicht auszuschließen.


Der theoretisch quasi nicht vorhandene Einfluss eines Investors auf die Geschäftspolitik des „Vereins“ ist in der Praxis somit meist trotz aller Beschränkungen der DFL gegeben. Es gilt vielmehr der Grundsatz „Wer zahlt, schafft an“, was beim Beispiel TSG Hoffenheim im Winter 2010/11 zu heftigen Diskussionen über die beherrschende Rolle von Dietmar Hopp (auf dem Papier nur Minderheitseigner der TSG) beim Verkauf des Spielers Luiz Gustavo geführt hat, in dessen Folge es zum Abschied von Trainer Ralf Rangnick kam.

Zudem gilt zu beachten, das ein Verkauf von Aktien aus den Händen des Vereins an einen Dritten einen nahezu unumkehrlichen Akt darstellt, da kaum ein Verein finanziell jemals in der Lage sein wird, die Aktien an seinem Fußballunternehmen wieder zurück zu kaufen. Das Beispiel England zeigt, dass über ausländische Investoren verärgerte Fans vielerorts seit Jahren vergeblich versuchen, über Fan-Fonds die Mehrheit der Anteile an ihrem „Verein“ zurück zu erwerben.
Wenn ein Investor aber seine Anteile weiterverkauft, weil der z.B. die Lust an seinem Spielzeug verloren hat, den Kursgewinn der Aktie in Cash realisieren will oder sich einen neuen Partner für sein eigentliches Geschäftsfeld suchen möchte, liegt es nicht mehr im Einflussbereich des Vereins, wer der nächste Eigentümer wird. Die Aktienmehrheit kann somit auch von einem seriösen an einen dubiosen Investor übergehen, ohne dass der Verein ein Vetorecht hätte.

Ein Verkauf der Aktien der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA an einen Investor ist daher aus unserer Sicht mit dem hohen Risiko verbunden, dass der TSV 1860 e.V. faktisch die Kontrolle über den Geschäftsbetrieb der GmbH & Co. KGaA verliert und früher oder später ein dubioser Investor die Geschicke des „Vereins“ lenken könnte.




Verwendete Quellen:
- Entwurf der Satzung der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA vom Februar 2002 (Anlage zur Einladung für die Delgiertenversammlung des TSV München von 1860 e.V., bei der die Ausgliederung des Profifußballs beschlossen wurde.)
- Satzung des Liga-Fußballverbands e.V. (http://www.bundesliga.de/media/native/dfl/satzung/satzung_ligaverband_2007-10-30_stand_.pdf)
- Dr. Markus Kern: Besonderheiten der Unternehmensfinanzierung und Investitionseffizienz im professionellen Fußball. Hamburg 2007.
- Dr. F.A. Thomas Kupfer: Erfolgreiches Fußballclub-Management. Göttingen 2006.


Im Nachgang hat sich mittlerweile herausgestellt, dass die Satzung der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA im Februar 2011 in § 14 (3) (Rechte des Aufsichtsrats) weitreichend erweitert wurde. Dies betrifft die Rechte eines Investors, der mehr als 50% der KGaA-Aktien erwirbt, da dieser dann den Aufsichtsrat nach seinen Vorstellungen besetzen kann.

Der Aufsichtsrat muss nach geänderter Satzung u.a. bei Trainer-, Sportdirektoren- und Top-Spieler-Verträgen zustimmen.

Wir bitten dies zu beachten.

Roman Beer
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