Der Zauberlehrling im Praktikum bei 1860 [RANT]

(Symbolbild für den Zustand des ruhm- und glorreichen TSV München von 1860)

Der TSV hat es also mal wieder in die Schlagzeilen geschafft. Gut, eine solche Meldung ist jetzt ungefähr so überraschend, wie plötzlich auftretende Nässe wenn man den Wasserhahn aufdreht oder Dunkelheit Nachts. Kommt ja auch immer total überraschend. Vermutlich ebenso überraschend wie das momentane Chaos welches da beim Verein von der Grünwalder Strasse herrscht. Aber der Reihe nach, und, ja, ich werde heute mal auf Verlinkungen verzichten.

Es trug sich im Frühling letzten Jahres zu, als der Turn- und Sportverein München von 1860 mal wieder kurz vor der Pleite stand. Ein überdimensioniertes Stadion, aufgeblähter Kader, strukturelle Probleme und Misswirtschaft in den letzten Jahren sorgten also für neuerliche Hilferufe seitens des Vereins. In der Folge kursierten Gerüchte, der noble Lokalrivale wolle mal wieder gar selbstlos einspringen zur Errettung aus höchster Not. Gut, das mit dem Bankenkonstrukt, mühsam zusammengestrickt, floppte, aber zum Glück kam ja der Retter aus dem Morgenland. Noch nie hatte jemand was von diesem Mann gehört, es gab so gut wie keine verlässlichen Infos woher dieser Mann sein Geld nahm und was seine Motivation war bzw. ist bei einem hochgradig defizitären Zweitligisten einzusteigen.

Aber Geld stinkt ja bekanntlich nicht, mithilfe willfähriger Presseorgane wurde der rote Teppich für den "Investor" ausgerollt und Kritik im Keime erstickt. Ein Schreckgespenst wurde an die Wand gemalt, Horrorszenarien beschrieben wenn man nicht bedingungslos dem Präsidium des TSV folgt und vertraut. Die Jugendarbeit perdu, Neuanfang in der C-Klasse bzw. komplette Löschung des Vereins, Verlust der Markenrechte etc. et al. Nun, bevor der ein oder andere fragend den Zeigefinger erheben konnte bzw. die Risiken beleuchten oder aber das ein oder andere aus dem reichhaltigen Fundus der Horrorszenarien richtig stellen, gabs die nächste Jubelmeldung aus den Medien bzw. den nächsten Kniefall. (Nein, ich schreibe lieber nix von Körperteilen in die manch einer kroch und zwar so weit, dass nur noch die Schuhspitzen rausschauten).

Kritische Stimmen welche u.a. vor Abhängigkeit warnten und es wagten Fragen zu stellen? Sie waren rar, und wurden von Medien und Verantowrtlichen gnadenlos niedergebügelt. Manch Verantwortlicher in hohen Positionen beim TSV und auch manch Pressevertreter ließ es sich nicht nehmen, Kritiker zu diffamieren, der Lächerlichkeit preiszugeben, zu beschimpfen, was der Fundus halt so hergibt wenn man keine Lust auf eine argumentative Auseinandersetzung hat. Den Höhepunkt fand die Geschichte dann beim Gastspiel von Energie Cottbus in der Arena. Fans, welche sich noch unsicher waren wie sie sich verhalten sollten in der neuen Situation, blieben diesmal einfach still in der Kurve sitzen anstatt, wie gewohnt, lautstark die Mannschaft zu unterstützen. Die Reaktion derer, die dem Investor eher unkritisch gegenüberstanden? Bierbecherwürfe, fliegende Fäuste, Sprechchöre die weit unter der Gürtellinie waren. Nicht nur im Stadion war dieses Verhalten der sogenannten "pöbelnden Mehrheit" zu erkennen.

Wen wunderts also, dass der ein oder andere Aktive sich entweder ganz zurückzog oder aber Alternativen suchte. Im Stadion war man ja unerwünscht, oft wurde zum Ausdruck gebracht, wohin sich diese lästigen Störenfriede gefälligst zu verziehen hatten. In Folge des "Investoren"deals kehrte im Anschluss Ruhe ein, Burgfrieden kann mans auch nennen. Investor wird übrigens hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, denn eher handelt es sich um einen Käufer in diesem Falle. Der "Investor" kauft 60% der Profiabteilungen, davon 49% stimmberechtigt. Wens interessiert, der möge einen Fachmann in Wirtschaftsfragen löchern, ich bin hier nur zum motzen da. Nun, wo war ich? Achja, beim Burgfrieden. Der sollte auch nicht zu lange halten, was nun eigentlich keinen verwundern sollte.

Denn hatte sich an den strukturellen Problemen in der Zwischenzeit etwas geändert? Ums kurz zu machen: Nö, wurden sogar noch verschärft. "ABER DIE ARENAMIETE!!!!!" wird der ein oder andere vielleicht einwerfen wollen. Kurz und knapp: Luftbuchung. Für den Nachlass fallen Verkaufsflächen weg, ein Nullsummenspiel. Die Fanartikel GmbH: verkauft um ein Finanzloch zu stopfen. Die Jugendarbeit, angeblich hochdefizitär, aber in den letzten jahren immer Retter im letzten Augenblick da ihr immer wieder das ein oder andere Talent entsprang (die Bender-Zwillinge bspw.): wird zusammengekürzt. War die Jugendarbeit nicht DAS Hauptargument überhaupt für den Einstieg des "Investors"? Ach egal, Freibiiiiier...oh, tschuldigung, ich ließ mich grad auf das argumentative Niveau des gemeinen unkritischen Löwenfans nieder. Ob diesem schon aufgefallen ist, dass die Markenrechte nun auch weg sind? Anders lässt sich das herumlavieren seitens der Verantwortlichen was diese Frage betrifft wohl kaum erklären.

Aber...aber...aber...wenn der Investor kommt, dann können wir doch endlich mal Talente halten? Aha, nicht mal ein Aigner kann gehalten werden. Geht vermutlich im Sommer. Mir liegt ein Spruch mit Ratten und schwimmenden Fortbewegungsmitteln auf den Lippen. Ja und, dann holen wir halt Spieler und dann steigma auf und dann spielen wir bald Champions League und dann ist die Allianz-Arena voll. Nun, der "Investor" wollte mehr Macht, hat er nicht bekommen, also dreht er den Geldhahn zu und schon wars das mit Verpflichtungen. Und das man auch in Liga eins von den Logenmieten nullkommagarnix dafür aber eine der teuersten Spielstätten Europas an der Backe hat interessiert vermutlich auch keinen. Hauptsache: Batzeloooonaaaa. "Und überhaupt soll der Investor doch mal das Maul halten, das geht ihn doch gar nix an was bei uns im Verein los ist", so bekommt man es oft zu hören.

Muss ja auch wirklich furchtbar überraschend sein, dass jemand über die Geschicke des Produktes, das er käuflich erwarb, bestimmen mag. Lieber flutet man das Internet mit rassistischen Kommentaren und Hetze gegen den arabischen "Investor". Und als wär das nicht genug: Schuld an dem ganzen Dilemma sind natürlich diejenigen, die damals kritisch nachgefragt haben. Diejenigen, die man mit Bierbechern bewarf und übelst beschimpft hat. Weil die jetzt schon wieder wagen das Maul aufzumachen und den Finger in die Wunde zu legen. Weil diese Störer und Plärrer haben einfach den Schwanz eingekniffen und sind abgehauen anstatt nach guter alter Tradition in Treue fest zum Verein zu stehen, so wie man es gewohnt ist: absolut unkritisch und der Führung treu ergeben. Diejenigen, die damals vor genau dem gewarnt haben, was nun einzutreten scheint, diejenigen sind schießlich die wahren Schuldigen, denn ohne die wäre endlich Ruhe im Verein. Jawoll!

Nun, unter Selbsterkenntnis hatte ich mir ehrlich gesagt auch etwas anderes vorgestellt, aber meine Anspruchshaltung sollte ich sowieso zwingend einmal überdenken. Ich hoffe inständig, dass es irgendwann in gar nicht allzu ferner Zukunft möglich ist, den Mistelzweig namens KgaA abzustoßen und als eigenständiger Verein weiterzuleben. Möge dieses Anhängsel, welches fortlaufend Quell des Unmutes ist, dann bitte auch wie gewohnt und koste es was es wolle im Profifussball bleiben, mitsamt der treuen Schafherde hinterher. Für den Verein selbst, welcher dann endlich den Mühlstein am Halse los ist, möge es dann aufwärts gehen oder nicht. Die Hauptsache ist dann doch: man kann jeden Morgen noch in den Spiegel schauen und hat nicht seine Seele an den erstbesten verscheppert und die Kritiker an diesem Verkauf auch noch dafür verantwortlich gemacht.

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