Montag, 1. Oktober 2012
Nazis-ärgern-Marathon 29.10.2012


Samstag, der 29. September. Es ist Wiesnzeit, in der Arena zu Fröttmaning ist ein Spiel und gleichzeitig…meldet die so genannte Bürgerinitiative Ausländerstopp, eine Tarnorganisation der NPD deren Personal deckungsgleich mit rechtsextremen Kameradschaften ist, sieben Kundgebungen an. Ein Tag, an dem man nicht unbedingt Polizist sein möchte. Allein die Wahl der Orte, an denen die Kundgebungen stattfinden sollte, sprach für sich. Eine Unterkunft für Migranten sollte der erste Treffpunkt sein, jedoch wurde die Kundgebung einige Meter weiter vor das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verlegt. Interessant, wo sich in München alles Behörden befinden und welche. Hier trafen sich in aller Herrgottsfrüh, sprich um 11:00 Uhr, bei leichtem Nieselregen ca. 150 Gegendemonstranten. Die SPD hatte hier die Gegendemo angemeldet und es fanden sich auch weitere Vertreter von Parteien ein wie bspw. der Grünen und sogar Piraten. Bekanntester Gegendemonstrant dürfte der ehemalige Verfassungsrichter Klaus Hahnzog gewesen sein, der sich an der Polizeiabsperrung leidenschaftlich mit den Einsatzkräften stritt. Mit kräftiger Verspätung trudelte dann auch der Kleinbus der BIA ein. Anscheinend hat man von der NPD gelernt, die für ihre Tour mit einem LKW französischen Fabrikats Spott erntete, denn man hatte sich einen Mercedes-9er gemietet. Mit dabei bei der BIA waren neben deren Vorsitzenden und Stadtrat Karl Richter natürlich wieder der unvermeidliche Karl-Heinz Statzberger und, erstaunlicherweise, sogar drei Frauen.

Auf der abgesperrten Boschetsrieder Straße, perfekt abgeschirmt von der Polizei, durfte dann der ein oder andere Nazi seine Reden vom Blatt ablesen. Zu verstehen war nix, zu weit gezogen der Polizeikessel und zu laut die Gegendemonstranten. Bereits nach 20 Minuten war der Spuk wieder vorbei und weiter gings für mich in der Familienkutsche eines Piraten gen Kafe Marat.
Dieser linke Szenetreff ist nicht nur der BIA ein Dorn im Auge, auch die CSU wettert nahezu regelmäßig im Stadtrat gegen diese Einrichtung. Natürlich findet das Marat auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht Erwähnung, schließlich entgeht den Verfassungsschützern nichts, zumindest nicht wenn es im Verdacht steht links zu sein. Frage mich schön langsam, wer uns vor den Schützern schützt. Noch dazu, wenn diese sich als Hilfswillige der Regierung einspannen lassen und dies auch deutlich mit der immer wieder kehrenden Erwähnung des Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. , welcher deutlich bessere Arbeit abliefert, im Verfassungsschutzbericht zeigt. Aber weiter geht’s mit den Kundgebungen. Vor dem Marat war wieder weitläufig abgesperrt, und auch hier hatte sich ein bunter Trupp an Gegendemonstranten versammelt. Da die Entfernung zum Nazibus diesmal nicht so groß war, ließ sich sogar ein Teil der Reden verstehen, auch wenn Fistelstimme Statzberger und die Frauen, die ebenfalls Reden ablesen durften, nicht unbedingt das lauteste Organ haben. Da half auch die Lautsprecheranlage nicht viel. Was sich von den Reden vernehmen ließ, war der übliche Sermon aus willkürlich heraus gegriffenen Gewaltakten der Linken. Angezündete Polizeiautos und Schmierereien wurden betont um zu zeigen, wie gewalttätig er ist, der Gegner. Und natürlich, wie kann es auch anders sein, die Verschwendung an Steuergeldern für „linke“ Projekte wie das Kafe Marat, Jugendprojekte und ähnliches. Das meiste ging aber auch hier unter im Lärm der Gegendemonstranten. Dort anzutreffen übrigens wieder das, was manch einer als „schwarzer Block“ zu bezeichnen pflegt, sprich Jugendliche welche gerade mal im Stimmbruch angekommen waren. Hindert ja manch law-and-order-Fetischisten nicht daran, eine Gefahr daher zu fantasieren die von diesem „gewalttätigen Mob“ ausgeht. Aber auf eins ist wenigstens Verlass: kaum melden die Nazis Kundgebungen an, treffen diese Jugendlichen zuverlässig und bei jedem Wetter ein um lautstark ihrem Missfallen Ausdruck zu verleihen.

Nun, weiter gings vom Marat in Richtung einer….Moschee. Dass sich eine solche in unmittelbarer Nähe des Marat befindet, war mir bisher auch nicht bekannt, aber dank der Nazis lernt man ja dazu. Immerhin. Auf dem Weg zum nächsten Veranstaltungsort zeigte sich die Polizei dann leicht überfordert. Dem BIA-Bus kamen die Einsatzfahrzeuge nicht schnell genug hinterher. Die wenigen Polizisten, die den Bus begleiteten, lösten das Ganze dann auf bayerische Art: Schaulustige und Gegendemonstranten wurden recht sportlich von der Fahrbahn auf die sehr engen Gehwege gescheucht. Dass sich dabei manch Zivilpolizist optisch nicht unbedingt von den Nazis unterschied und sehr arrogant und brutal auftrat ist ja mittlerweile Usus und gehört irgendwie dazu in Bayern. In der Nähe der „Moschee“ (komm gleich dazu, warum hier Anführungszeichen gesetzt sind) bauten dann die Nazis wieder ihre Anlage auf, entrollten ihr Plakat und es durften wieder Reden vom Blatt abgelesen werden. Auch hier war eher wenig zu verstehen, zu laut die Gegendemonstranten. Mit dem Auto direkt zur Polizeiabsperrung vorzufahren und die Hupe dauerhaft zu betätigen stieß bei den Gegendemonstranten auf ungeteilte Begeisterung. Was von den Reden zu verstehen war, war der übliche islamophobe Sermon. Salafistische Gewalt wurde zur Bedrohung aufgeblasen die Deutschlands Existenz bedroht wogegen jeder vaterländische Geselle aufzustehen habe und ähnliches. Dass sich Karl Richter hier der exakt gleichen Argumentationsmuster bediente wie ein gewisser Stadtrat und Bayernpirat-gegen-Rechts, geschenkt. Auch zum guten Ton gehört natürlich die Betonung der Zustimmung zur Religionsfreiheit, natürlich mit einer Ausnahme, da „der“ Islam ja eine Gefahr für die Demokratie darstelle. Die Gefahr vor „Großmoscheen“, welche allerorten aus dem Boden sprießen, bekam ihre amüsante Note durch die Betrachtung des status quo. Sind Gebetsräume doch meist in irgendwelchen Hinterhöfen untergebracht, wie auch hier am Versammlungsort, einer unsansehnlichen Gegend.

Mit dem Piratenmobil, diesmal aufgefüllt mit noch zwei aufgegabelten Grünen, ging es weiter zum nächsten Kundgebungsort, dem Kulturladen Westend. Hier, in einer engen Seitenstraße in unmittelbarer Wiesnnähe, befindet sich also ebenfalls ein beliebter Treffpunkt Kulturschaffender. Auch hier trudelte der BIA-Bus mit Verspätung ein. Auf der Strecke wurde versucht eine Blockade zu errichten welche recht fix von der Polizei abgedrängt wurde. Auch hier wieder selbes Spiel: Bus parkt, Polizeikette steht, Plakat raus, Lautsprecheranlage aufgebaut, Reden vom Blatt ablesen. Hier, mitten im Wohngebiet, beteiligten sich auch Anwohner am kreativen Protest gegen den braunen Spuk. Die Beschallung mit Musik war kreativ, dass ich beim ein oder anderen 80er-Punk-Klassiker mittlerweile den Text kann, erstaunte mich selbst. Vom 1. Stock eines der angrenzenden Häuser wurde ein Banner entrollt und laut wars ebenfalls mal wieder. Von den Reden waren auch hier nur einzelne Schlagwörter wie „Steuergelder“ und „linke Gewalt“ zu vernehmen. Scheinbar wurden die selben Reden nochmal vom Blatt abgelesen. Bevor es jedoch fad wurde, ging es ab zum nächsten Veranstaltungsort, auch wenn mittlerweile sich die Frage stellte, wie die Nazis denn bitte aus dem engen Straßengewirr wieder rausfinden sollten.
Also, ab zum Feierwerk. Wie die BIA auf die Idee kommt, hier gegen „linke Gewalt“ demonstrieren zu wollen war nicht nur mir schleierhaft. Das vielfältige Angebot an Veranstaltungen dort ist scheinbar den Freunden des stark vereinfachten Weltbildes zu vielfältig, zu bunt, zu…wasweißdennich. Rational Denken scheint hier nicht angebracht, eher Kopfschütteln. Nach längerem Warten dann…keine Nazis in Sicht, dafür aber die Meldung: die Blockade vor dem Kulturladen Westend steht! Also schnellstmöglich mit leicht überfülltem Piratenmobil wieder gen Ligsalzstraße. Dort bot sich ein etwas surreales Bild. Mitten im Polizeikordon der graue Kleinbus der BIA, rundum der bunte Gegenprotest, dahinter torkelte der Wiesnbetrieb vorbei. Zwischendurch wurde sich aus den in der Nähe befindlichen Supermärkten versorgt und auch gelegentlicher Nieselregen konnte die gute Stimmung nicht trüben. Man stellte sich zwischendurch die Frage, ob denn überhaupt die weiteren Veranstaltungsorte angefahren werden können, so stark die Verspätung des Nazitross mittlerweile. Nachdem die Polizei genügend Verstärkung angekarrt hatte, wurde dann aber doch geräumt. Man suchte sich die schwächer besetzte Seite der Straße raus, zum Glück die gegenüberliegende. Auf liebevolle Behandlung durch dunkelblau gekleidete Behelmte hat man dann doch eher wenig Lust. Der Piratenmobilfahrer ging mittlerweile seinen familiären Verpflichtungen nach, also gings mit den Öffentlichen wieder zurück zum Feierwerk.

Auch hier jedoch war das Warten wieder vergeblich, denn die Karawane zog gleich zum nächsten Kundgebungsort. Da dieser im äußersten Osten lag und die Anfahrt dorthin zu lang gedauert hätte, ging es mithilfe des nächsten Fahrers halt zum letzten Ort des Aufmarsches. Im Norden Münchens sollte vor einem Einkaufszentrum der Abschluss des Nazis-ärgern-Marathons stattfinden. Vor dem Mira-Einkaufszentrum, direkt am U-Bahn-Halt Dülferstrasse gelegen, in einem Viertel mit recht hohem Anteil an Migranten, wollte die BIA ihre Parolen zum Besten geben. Aber auch hier das gleiche Bild wie an den anderen Orten: Polizeiabsperrung, laute Gegendemonstranten, nix zu verstehen. Den Gegendemonstranten schlossen sich übrigens, trotz strömenden Regens, spontan viele Besucher des Einkaufszentrums an. Nach den üblichen Rednern, Richter, Statzberger, eine der Frauen, wurden die Zelte wieder abgebrochen und der Bus durfte samt Begleitung wieder weiter fahren. Für mich gings dann auf den Heimweg. Müde, kaputt, stolz auf den Gegenprotest der sich auch nicht durch die Vielzahl an Veranstaltungsorten verwirren oder aufsplittern ließ. Überall sammelte sich eine Mischung aus jung und alt um die Nazis mit ihren Parolen ins Leere laufen zu lassen. Die Frage, was denn die BIA mit ihren Kundgebungen erreichen wollte, darf aber gestellt werden. Die Wahl der Orte, Moscheen, soziale Brennpunkte, linke Szenetreffs, in Verbindung mit den gewählten Mottos, war mit Sicherheit als Provokation gedacht. Aber „Linke Gewalt stoppen“ oder aber „Gegen Überfremdung und Ausländerkriminalität“ gehören mittlerweile eh zum Standardrepertoire der Nazis und der Neuen Rechten. Hier war also nix Neues zu erwarten und zu vernehmen. Immerhin gab es für die Nazis Nachschub an Bildmaterial für ihre Sammlungen. Recht fleißig wurden die Gegendemonstranten fotografiert und auch stolz Bilder der Redner gemacht welche sicherlich wieder Eingang in die üblichen Erfolgsmeldungen finden werden. Auch von Polizeiseite wurde wieder fleißig gefilmt und fotografiert. Wobei hier ein Regenschirm sich wunderbar als Abschirmung vor unerwünschten Aufnahmen eignet. Dass ausschließlich die Gegendemonstranten von der Polizei gefilmt wurde spricht wohl für sich. Der braune Mob scheint gut bekannt und spätestens seit dem Aufkommen des NSU-Sumpfes würde einem hier noch viel fieseres einfallen. Auf Gegendemo-Seite missfallen hat die scheints unvermeidliche Kapitalismuskritik. Unnötig weil unpassend. Lieber kreativerer Protest, der auch mal einen Anstoß zum nachdenken bringt.

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