Schland oh Schland?
(vorweg: ich werde zukünftig auf Verlinkungen zu deutschsprachigen Verlagsprodukten verzichten. Aus Gründen)

Ganz Deutschland taumelt also im Moment im Schland-Fieber, ist im Fußballtaumel, schwarz-rot-gei….okay, das geht eh zu weit. Ganz Deutschland? Nun, neben denen, die mit Fußball sowieso nix anfangen können – was hier vollkommen wertfrei gemeint ist – gibt es mit Sicherheit manch Fan des Ballgetretes seines jeweiligen Lieblingsvereins der dem EM-Spektakel fern bleibt. Weit abseits (zumindest versuch ich es) der Guter-Fan/Schlechter-Fan-Diskussionen versuch ich hier mal kurz aufzuzeigen wie es bei mir dazu kam dass ich einem Team, welches mir 2006 noch so viel Spaß bereitet hat, einfach nicht mehr die Daumen drücken kann.

Ich hatte ja bereits hier und auch hierim Blog mal kurz (*hüstelt*) dargelegt, warum ich mich vom Profifußball abgewendet habe. Da wären das Spektakel zu dem der Sport gemacht wird, das zugebombt werden mit Werbung, der sterile - sorry - Einheitsfraß in den Stadien, das sterile, unpersönliche Ambiente in den neu gebauten Arenen, die Hundertschaften von Polizei, Polizeigewalt (nein, das Fass mach ich heut mal nicht auf), Dauerbeschallung eintönigerweise nicht nur dank Werbung sondern auch von den Rängen (auch das Ultra-Fass bleibt zu) ebenso wie die Geschehnisse rund um meinen Verein. Auch das hatte ich bereits kurz beschrieben. Der Kröten gab es genug zu schlucken, sei es der Arenabau zusammen mit dem Lokalrivalen (interessant wie viele Fässer heut zubleiben dürfen) oder aber die ständigen Streitereien zwischen einem eher konservativen Fandachverband – der ARGE - und reformorientiertem Zusammenschluss – PRO1860 -. Rund um den Verkauf eines Großteils der Profi-Abteilung (darin enthalten: 2.-Liga-Team, die sogenannten Amateure, die A-Jugend) kam es ja – zumindest meiner Meinung nach – zu einer weiteren Vertiefung der Gräben im Verein welche dazu führten, dass man sich nicht nur gegenseitig die Berechtigung sich Fan zu nennen absprach, sondern auch zu körperlichen Auseinandersetzungen führten. WIR sind die wahren Fans, IHR seid diejenigen die den Verein kaputt machen, weg gehören, keine Löwenfans seid,….Ein Wir-Konstrukt wird also aufgebaut um andere auszugrenzen.

Damit wären wir schon bei der Nationalmannschaft. Wie heißt es immer so schön vor Spielen: „Wir werden gewinnen“. Öhm, öcht? Wie twitterte Katharina Schulze von den Grünen kürzlich: „Nein, ich nicht!und Du auch nicht - Du sitzt nur vor dem Fernseher“. Interessanterweise haben nach einem verlorenen Spiel nicht „Wir“ verloren, sondern „Die“ haben´s vermasselt. „Die“ spielen entweder Weltklasse oder aber absolut Scheiße. Graustufen gibt es da keine. Und wenn das Event nicht den eigenen Anforderungen entspricht dann wird halt gepfiffen. Nicht nur dies ist ein Hinweis auf eine übersteigerte Erwartungshaltung wie auch ein gewisses Schwarz-Weiß-Denken. Aber das gilt natürlich nicht nur für die Nationalmannschaft, solches sieht man im Profifußball ständig. Wobei sich mir hier die Frage stellt: Inwieweit hat die Berichterstattung hier zu diesem Verhalten beigetragen oder aber es gar verstärkt? Habe nur ich den Eindruck, als einer der zuletzt aufgrund subjektiv empfundener mangelnder Qualität, zunehmend auf Berichterstattung in TV und Print verzichtet, dass die Boulevardisierung der Medien mittlerweile auch den Sportbereich erreicht hat? Berichte über Taktik, Spielermaterial und die daraus sich ergebenden Optionen, Hintergrundinformationen auch über den Verein/das Team/das Trainer-Team sucht man meist vergebens. Viel wichtiger scheint die Geschwindigkeit – wer hat zuerst die passende Aufstellung, oder vermeldet als Erster einen Transfer – und wer mit wem aufs Zimmer geht bzw. andere schlagzeilenträchtige Themen. Der Rest plätschert recht seicht vor sich hin. An dieser Stelle übrigens der Hinweis auf Spielverlagerung.de. Ich muss zugeben, dass ich die EM nahezu ausschließlich über diese Seite verfolge, der Rest spricht mich nicht (mehr)so wirklich an.

Liegt es eigentlich an diesem „Wir“-Konstrukt, dass man versucht anderen vorzuschreiben, für wen und wann und warum sie Fan zu sein haben? „Du musst jetzt für Deutschland sein weil $Grund“ gern genommen in der Steigerungsform „…sonst bist du $Abwertendes“. Wieder einmal wird das „Wir“-Konstrukt benutzt um Druck aufzubauen bzw. auszugrenzen. Interessante Parallele am Rande: Vor einem gewissen „Finale dahoam“ vor wenigen Wochen wurde ebenfalls ständig gefragt „Du bist aber schon für Bayern!?“ bzw. „Du musst für Bayern sein weil $Grund“. Interessanterweise dann die umgekehrte Argumentation bei der Nationalmannschaft: „Du darfst nicht für die Nationalmannschaft sein weil da spielen ganz viele Spieler vom Lokalrivalen mit“. Anderen vorschreiben wann sie Fan zu sein haben und von wem und warum bzw. wann nicht, für mich persönlich doch ein wenig abstoßend. Aber dieses „Wir“, welches im Grunde ja nicht weiter störend wäre, gäbe es da nicht dieses „Ihr“, geht ja gelegentlich noch ein gutes Stück weiter. Und hier möchte ich vorab sagen, dass dies keinesfalls alle Fans der Nationalmannschaft betrifft und ich keinesfalls irgendwem den Spaß verderben möchte.

Fangesänge wie „Wir sind wieder einmarschiert“ ebenso wie „Sieg“-Rufe ausgerechnet in Polen und der Ukraine entbehren zumindest eines gewissen Feingefühls den Gastgebern gegenüber. In Reiseberichten wird ja die Gastfreundschaft in Polen und der Ukraine zum Teil über den grünen Klee gelobt, im Stadion scheint man – zum Zwecke des Provozierens? – jedoch dem Gastgeber, bedenkt man die Geschichte der Beziehungen zwischen den Ländern, erst mal auf den Teppich zu kacken. Wurden die Iren noch für ihre beeindruckende Gesangseinlage beim Ausscheiden gegen die Spanier gelobt, so scheint es bei deutschen Fans nicht weit her zu sein mit Gründen für Lob. Erschöpft sich die Kreativität wirklich bereits in oben Genanntem? Wo bleibt denn da die Kreativität der Fans, die oft gerühmte? Selbst beim Public Viewing dann Sprüche der Sorte „Endlich die Griechen rausgehauen. Liegt uns eh nur auf der Tasche, das faule Pack“. Soso, aber Politik hat natürlich beim Sport überhaupt nix verloren, wie man oft und gern behauptet, insbesondere wenn wieder einmal wer sich erdreistet darauf hinzuweisen, dass der Fußball für Alle da zu sein hat und es Bestrebungen manch Interessierter gibt für die dies eben nicht so ist. Es zeigt sich also die hässliche Fratze des Nationalismus, des nationalstaatlichen Denkens bei dem der Zufall – oder hat sich wer ausgesucht WO er geboren wurde? – dazu bemüht wird mithilfe des daraus konstruierten „Wir“ andere auszugrenzen bzw. zu diffamieren. Ja, es gibt Bemühungen des DFB, der Vereine und der Fans um der Ausgrenzung etwas entgegen zu setzen. Aber wenn immer wieder betont wird, wie gut die Zusammensetzung des Nationalteams doch zeigt das Integration funktioniert, entbehrt dies nicht einer gewissen Komik. Denn dem multikulturellen Aspekt, gern dafür hergenommen: Özil, Khedira, Podolski, läuft im Grunde genommen der dann von manch Fans gezeigte Nationalismus vollkommen entgegen.

Ja, es ist dieser so genannte entspannte Partypatriotismus wie er hier an einem Beispiel eindrucksvoll beschrieben wird, der einem sauer aufstößt. Und so zeigt sich die Bilanz wie folgt: 2006 – mitgefiebert und –gefeiert, zusammen mit Fans vieler Nationen (und das Ausscheiden ausgerechnet beim Italiener ums Eck angeschaut), 2008 – Public Viewing, aber hier bereits leicht genervt von der deutschen Handtuchmentalität (ab 08:00 Uhr ganze Bierbänke freihalten um ein Spiel spätabends anzuschauen), dann lieber in einer österreichischen Bar die Spiele anschauen; 2010 – Public Viewing-Versuche abgebrochen, Vuvuzela, alles aufgeblasen zum Event, dann lieber mit Freunden schauen, und nun – schlussendlich – 2012 – keinerlei Interesse mehr. Die Gründe wurden ja oben bereits aufgezählt und ich maße mir mit Sicherheit nicht an für andere zu sprechen oder aber ihnen Vorwürfe oder Vorschriften machen zu wollen. Es soll sein Fantum doch jeder ausleben wie er mag, so lange er andere respektiert. Ich freu mich bereits auf die Vorbereitungsspiele der Amateur-Löwen und den Start in die neue Saison in Liga 10 und 12. Bis dahin genieße ich die für mich fußballfreie Zeit.

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