Sonntag, 6. November 2011
Hammelklasse


Yap, obiges Bild ist in der "Hammelklasse" entstanden, genauer gesagt gestern Abend beim Gastspiel von Centro Argentino beim TSV 1860. Die Begegnung der C-Klasse gewann übrigens die Reserve von 1860 mit 7:0. Ja, 1860 hat es mittlerweile in die A- und die C-Klasse verschlagen, dabei müsste es sich (bin grad zu faul zum Zählen) um die Ligen 11 bzw. 13 handeln. Die restlichen Mannschaften, genauer die U19, die U23 und die Profis wurden verkauft, bei diesen hat der Deutsche Meister von 1966 kaum noch Mitspracherechte. Aber hier soll es ja eher um die Hammelklasse gehen und die Unterschiede zum sog. Profifußball denn um irgendwelche Vereinspolitik.

Hammelklasse also, Amateurfußball auf Bezirkssportanlagen bzw. beim TSV das Trainingsgelände. Welch Abstieg für denjenigen, der noch wenige Monate zuvor Wochenende für Wochenende quer durch Deutschland fuhr, Aue, Braunschweig, Hamburg, Mönchengladbach mitnahm als Auswärtsfahrer ebenso wie einen Abstecher nach Krakau. Sogenannte Fußballtempel, ausgestattet mit allem was das Fanherz (angeblich) begehrt, wurden besucht ebenso wie in Ehren ergraute Stadien, sich mit dem Anhang des gastgebenden Vereines gemessen, natürlich nur auf den Rängen und bereits Wochen vorher die Fahrten geplant, sofern die Spieltagsplaner ein Einsehen hatten. All das ist vorbei, mittlerweile werden Fußballspiele ein paar Etagen tiefer besucht.
Die Hinrunde in A- sowie C-Klasse ist mittlerweile fast schon wieder vorbei, und es stellt sich mir immer mehr die Frage: ist der Abschied von Liga zwo und vier (ehemalige Amateure des TSV 1860) wirklich ein Abstieg?

Zugegeben, es wurde immer mehr was einem am Profifußball sauer aufstoßen ließ. Ja, Fußballtempel schön und gut, aber was bringt es mir, wenn diese mittlerweile irgendwo in der Pampa stehen, weitab von jeglichem was sich Zivilisation nennen darf. Besuche von Auswärtsspielen mit Stadtbummel und evtl. einem Kneipenbesuch vor und nach dem Spiel? Wohl kaum, wenn allein die An- und Abreise aus der Heimatstadt des Vereins bereits einen nicht unerheblichen Teil der Reisezeit ausmacht. Im Stadion, pardon, in der Arena natürlich, selbst ist es dann natürlich problemlos möglich sein sauer verdientes Geld loszuwerden, es umzusetzen in das Stadionmenü bestehend aus Bratwurst und Bier. Oder auch nicht. Bezahlkartensysteme, hurra. Na, immerhin für die Vereine lohnt sichs scheinbar. Aber mich in eine Schlange anstellen nur um mir eine Plastekarte zu holen, diese dann mit einem Pflichtbetrag aufladen zu müssen welcher meist weit über dem liegt was man ausgeben will, in die nächste Schlange stellen, Einheitsfraß vom Einheitscaterer zu holen, nächste Schlange um alkoholfreie Holländerplörre zu kaufen, nein Danke.

Auch die Arenen selbst (ich bin ständig versucht Stadion zu schreiben, hrmpf) sind weitab von jeglichem, was man mit den Begriffen Charme und Flair verbindet. Stadien wie in Braunschweig (ich gebs ja zu, ich war im Heimbereich, hinter der Haupttribüne, zusammen mit den Braunschweigern ein bis fünf Bierchen zischen) oder in Aue findet man eher selten. Viel eher setzt sich Einheitsbauweise durch, standardisierte Bauten, seelenlose Zweckbauten. Es sei nur mal als Beispiel die Versicherungs-Arena in Münchens Norden genannt: meilenweit von jeglicher (Kneipen-)Infrastruktur entfernt, Bezahlkartensystem, unwirtliche Umgebung (passenderweise ein Müllberg und ein Klärwerk), eine betongewordene Deeskalationsmaßnahme namens Esplanade, ein überteuertes Parkhaus aus dem man laut Augenzeugenbberichten Ewigkeiten braucht um hinauszukommen, innen drin grau in grau und eine absolut miese Akkustik. Aber immerhin, es kann leuchten. Toll.

Vor, während und nach dem Spiel ist die Beschallung auch nicht unbedingt das, was sich meinereins unter Fußballatmosphäre so vorstellt. Ganz bewusst höre ich eher selten Radio, noch viel seltener das, was man massenkompatible Musik so nennt. Schön, dass mir das, was ich also "verpasse", in ohrenbetäubender Lautstärke aus den Lautsprecherboxen der Arenen entgegendröhnt, untersetzt mit massenhaft Werbung, diese natürlich auch während des Spiels in Form von "diese gelbe Karte/Auswechslung wurde ihnen präsentiert von.." Wäh. Aber immerhin, ab und zu überdröhnen die Boxen auch mal das Einheits-Schalala von den Rängen. Egal welche Arena man besucht, von den Rängen dröhnt allerorten so ziemlich das gleiche, zumindest was die Melodien angeht, und auch beim Text gibt es nur geringfügige Abwandlungen. Kreativität? Meist Fehlanzeige. Einschläfernder Dauersupport, abgekoppelt von jeglichem Spielgeschehen, aber hinterher ist man von Ultraseite her sauer, dass nicht alle mitgemacht haben und über 90 Minuten Gas gegeben und blablubberbla.

Nun, mir persönlich ist spielbezogene Unterstützung lieber. Ein Raunen im Publikum bei vergebener Chance, ein Aufschrei bei einem Konter der gerade aufgebaut wird, kurzes Luft holen um dann mit stakkatoartigen Sprechchören mehr Einsatz zu fordern uswusf. Aber findet man im Profifußball heutzutage eher selten, leider. Ja, auch Pyroaktionen gehörten da mal dazu, aber das ist auch eine Diskussion der (vor allem) medienseits mit dermaßen Emotionen aufgeladen wird und hysterisch geführt wird, dass ich mich da lieber heraushalte. Ja, die Berichterstattung der Medien über den Profifußball ist auch eher....naja, dem restlichen Niveau der sogenannten journalistischen Arbeit entsprechend. Da werden beispielsweise bürgerkriegsähnliche Zustände beschworen weil ein Scheibenwischer abgebrochen wurde von Fans (so geschehen beim Spiel der damaligen Amateure des TSV 1860 gegen Waldholf Mannheim), alle Fans zu Schwerverbrechern erklärt, Überwachungsmaßnahmen das Wort geredet welche selbst Erich Mielke ein feuchtes Höschen beschert hätten, einseitig berichtet, nicht recherchiert, hinterfragt uswusf. Aber, und das ist das Wichtigste scheinbar in der Berichterstattung: Hauptsache eine Überschrift die knallt, Hauptsache möglichst klare Fronten gezogen.

Ja, ich gebe es zu, ich bin da ein wenig voreingenommen. Es war im Dezember 2007, als ich Zeuge von Polizeigewalt werden durfte. Die Gerichtsverfahren im Anschluss ließen einen den Glauben an den Rechtsstaat verlieren (vermutlich gehts bald vor den BGH), die Presseberichte (bis auf wenige Ausnahmen) die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Und seitdem betrachte ich die Arbeit der Beamten etwas kritischer ebenso wie das Mediengeschehen. Und oft empfand ich die Anwesenheit von Polizeibeamten bei Spielen doch eher als störend. Klar gibt es immer wieder Chaoten, immer wieder welche die übers Ziel hinausschießen. Nur, wie bitteschön sollen denn die vielbeschworenen Selbstreinigungskräfte in der Kurve funktionieren wenn schon die kleinste Verfehlung in Medienhysterie und Ruf nach härtesten Strafen mündet. Wenn desweiteren Fans auf Schritt und Tritt überwacht und begleitet werden und kaum einen Schritt außerhalb festgelegter Routen tun dürfen. Wie bitteschön kann man an Selbstreinigungskräfte in der Kurve appellieren aber weiterhin aktiv und beuwsst verhindern, dass Straftäter in den Reihen der Polizei belangt werden?

Übrigens, liest man so etwas in den Medien? Liest man dort, dass Ultras wie beispielsweise die Schickeria, und nicht nur diese, sich aktiv an Aktionen beteiligen gegen Rassismus und Homophobie in den Stadien? Liest man in den Medien von positiven Aktionen der Fans? Liest man in den Medien kritische Berichte über das Fehlverhalten BEIDER Seiten, der Fans wie auch der Sicherheitskräfte/Polizei? Ist es nicht beschämend, dass auch die Medien hier ihren Teil dazu beitragen, dass sich beide Seiten unversöhnlich gegenüberstehen? Nein, lieber liest man von Chaoten, Krawallen, Ausschreitungen, Bürgerkrieg (siehe oben), und natürlich vom Lieblingsthema der Medien: von Derbys. Mittlerweile wird ja nahezu jedes Spiel welches im Umkreis von 300km stattfindet als Derby hochgejubelt. Augsburg-Nürnberg, Ingolstadt-München (egal welcher der Vereine), Nürnberg-München, München-Stuttgart. Blöd nur, dass jetzt mit Nürnberg gegen Fürth ein echtes Derby stattfindet. Mal sehen was die Medienmeute nu macht. Ein Derbyderby vielleicht?

Na, genug ausgekotzt über die Punkte welche mich am Profifußball schön langsam so richtig ankotzen. Dann doch lieber die Hammelklasse. Was war dort zu erleben in der Hinrunde? Nun, Sportplätze mit Charme könnte man das ganze nennen. Vom Sportplatz mit Sitzstufen wie beim SV Stadtwerke über die vergammelte Hütte am Rande eines heruntergekommenen Kunstrasenplatzes bis zur Wirtschaft am Rande einer Schulsportanlage war doch schon das ein oder andere geboten. Die Bierauswahl ging quer durch Münchens Brauereien, Alkohol darf auch im Bier sein, und es gibt gelegentlich am Rande des Sportplatzes gar Bier im Glas. Wow, so etwas würde im Profifußball vermutlich unter versuchten Terroranschlag laufen. Die Essensauswahl ist auch abwechslungsreich. Wer sich am Spieltag, vor/während/nach dem Spiel stärken will, kommt meist auf seine Kosten. Da reicht das Angebot von einfachen Wurstsemmeln bis hin zur mehrseitigen Speisekarte. Meist schmackhaft, bezahlbar ists auch, und weitab jeglichen Caterer-Einheitsfraßes. Gut, auf manch "Komfort" muss man verzichten. Überdachte Plätze sucht man meist vergebens, aber das an manch Sportplätzen halt dann einfach mal ein Pavillon aufgebaut wird hat ja auch einen gewissen Charme.

Apropos Charme: die Nähe die man zu Mannschaft, Offiziellen, Betreuern und Co. hat ist auch nicht zu verachten. Plaudereien, gemeinsames Bier zischen, all das ist nicht selten. Und was die Stimmung betrifft. Nun, man ist es ja gewohnt, in einer anonymen Masse zu stehen. Beleidigungen gegen gegnerische Spieler bzw. den Schiedsrichter gehen da gern mal in der Masse unter. Fällt es einem in einem Stadion bzw. einer Arena also leicht mal eben dem Schiri und seinem Anhang Pest, Cholera und eine Nacht mit Uli Hoeneß zu wünschen, so sollte dies in den unteren Ligen doch unterbleiben. Durch die Nähe zum Spielfeld allein schon sorgt man so für Unruhe, verunsichert die Spieler bzw. stachelt diese noch auf, was dann erst recht zum Eingreifen des Unparteiischen führt. Die Spieler bekommen unmittelbar mit was am Spielfeldrand vorgeht, was natürlich gelegentlich zu gar lustigen Situationen führt. Ach, der weiter oben angesprochene spielbezogene Support, hier findet er noch statt. Ja, eine kurze Eingewöhnungsphase hat es gebraucht in den unteren Ligen. Aber, mittlerweile muss ich sagen, fühle ich mich dort um Längen wohler und eher zu Hause als im Profifussball mit all seinem Buhei.
   Link (0 Kommentare)   Kommentieren