Die Betzenbergstory....

...Oder: Als die Schutzmänner noch Schutzmänner waren.
Ja, die fußballlose Zeit. Die Mannschaft ist im Trainingslager im sonnigen Teneriffa, Hallenfußball wird auch keiner geboten, Eishockey ist auch nicht so meins.....Wie also wäre es mal mit einem Buch geschrieben von einem Fan. Das gerade erst neu erschienene Die Betzenbergstory ...: Oder: Als die Schutzmänner noch Schutzmänner waren bietet sich doch da geradezu an. Noch dazu ist das Buch geschrieben vom Fan eines Vereins den eine schon länger währende und leider etwas eingeschlafene Fanfreundschaft mit dem TSV verbindet: dem FCK. Kurz also zum Autor:

Seit beinahe 50 Jahren ist Klaus Rudolf Bößler mit ganzem Herzen Anhänger des 1.FC Kaiserslautern. 1963 erlebte er das erste Bundesliga-Heimspiel - damals noch ohne Eintrittskarte - auf der Südtribüne. Seitdem sieht, hört, spürt und lebt er seinen Verein

Hört sich doch schonmal ganz interessant an, zumindest nicht nach dem pseudowissenschaftlichem Geschwurbel mit dem Außenstehende gern versuchen die Faszination zum Fußball und die Verbundenheit der Fans mit ihrem Verein zu erklären, und bei dem sich dem normalen Fußballfan ob der Ahnungslosigkeit des Autors schier die Zehennägel aufrollen. Ein Bericht von "mittendrin" scheint einen zu erwarten, und im Vorwort spricht der Autor bereits kurz seine Beweggründe an. Kurz wird erklärt wie es zu diesem Buch kam, und was verdeutlicht werden soll.

[...]Ich wollte eine Geschichte über den 1. FC Kaiserslautern schreiben, über den Betzenberg, über die Atmosphäre auf diesem "heiligen Berg", eine Geschichte die etwas näher beschreibt wie der "Mythos Betzenberg" entstanden sein könnte.
Über die Weihnachtsfeiertage 2007 reifte dieser Gedanke, wurde schnell zu einer fixen Idee, die mich nicht mehr losließ....


Rudi Bößler beschreibt in sieben Kapiteln die Höhepunkte seiner Fan-Karriere, im positiven wie im negativen. In den ersten fünf Kapiteln werden immer zwei Spiele behandelt, zwischen denen hin- und hergesprungen wird. So werden im ersten Kapitel beispielsweise gleich mal das erste Bundesliga-Heimspiel gegen Schalke 04 behandelt ebenso wie das Heimspiel gegen Carl Zeiss Jena im Dezember 2007. Letzteres nun als quasi negativer Part in dieser Geschichte, verlor man doch diese Partie gegen den Tabellenletzten nach 2:0-Führung noch 2:3. Einige werden sich sicher noch an die letzte Saison erinnern als der FCK dem Abstieg gerade noch so entrinnen konnte und eine Negativschlagzeile die nächste jagte. Als Höhepunkt wird hier der Besuch des ersten Bundesliga-Heimspiels behandelt und damit auch gleich die Frage beantwortet wie es denn zu dem Untertitel des Buches - Als die Schutzmänner noch Schutzmänner waren - kam.

Das Stadion rückt näher, wir gehen in Richtung Südtribüne zur Kartenkontrolle. Aha, da steht ja auch unser Schutzmann, der uns freundlich begrüßt: "Hallo, gehner a gucke?" Mein Vater: "Eijo, des losse mer uns doch net entgeje! Sah mol, fer de Klä hämmer kä Kart, mänsche des macht was?" "Ach was, gehn grad mit." Unser Schutzmann dreht sich zum Kartenkontrolleur: "Du, fer de Klä honnse kä Kart, awer dess geht in Ordnung, die riggen a bisje zomme!" "Iss gut", sagt der Kontrolleur und lässt uns durch zur Südtribüne.

Wie man sieht sind die Dialoge im schönsten Pfälzisch wiedergegeben, was das ganze authentischer macht. Trotzdem ist das ganze auch für den Nichtpfälzer immer verständlich. Im nächsten Kapitel werden dann wieder zwei Spielberichte gegenübergestellt, und damit Gegensätze aufgezeigt wie sie größer nicht sein könnten. Zum einen der 3:1-Heimsieg einer furios aufspielenden Lauterer Mannschaft gegen den FC Barcelona vor einer tollwütigen Kulisse auf dem Betze, zum anderen eine Niederlage gegen einen Club bei dem so manch einer ratlos vor der Fußballkarte Deutschlands steht - den SV Wehen Wiesbaden. In den darauf folgenden drei Kapiteln wird zum einen nochmals Real Madrid aus Fansicht mit 5:0 auseinandergenommen, oder aber die Meisterschaft fast verspielt durch eine unnötige Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, die stargespickte Mannschaft der Münchner Bayern mit 7:4 gedemütigt und die Meisterschaft im Jahre 1991 doch noch klar gemacht durch einen Sieg gegen Köln. Berichtet wird bei letzterem aus einer Kneipe und bei diesem Bericht fühlt man sich direkt hineinversetzt in die rauchgeschwängerte zum Bersten gefüllte Gaststätte.

Und auch sonst hat man bei den Berichten das Gefühl als würde man inmitten der Fans stehen, leidet mit bei bitteren Niederlagen oder bejubelt innerlich nochmals die Tore gegen den Erzrivalen aus Mannheim, bei dem es Rudi Bößler gelingt einen Arbeitskollegen mit dem "Betzenbergvirus" zu infizieren. Übrigens behandelt das fünfte Kapitel auch das Spiel aus der Abstiegssaison 1996 beim TSV. Mit Wehmut blickt der Sechzger da auf die Aufstellung mit Namen wie Manni Schwabl, Olaf Bodden, Daniel Borimirov und Horst Heldt und anderen. Eine Zeit in der der Größenwahn beim TSV leider schon gewaltig um sich griff......aber zurück zum FCK. Bis zu diesem Augenblick schafft es das Buch in seinen Bann zu ziehen und man fühlt als Fußballfan mit dem Autor mit. Auch wenn die Waschmaschine bereits seit einer Stunde fertig ist, so habe ich es doch bis dahin nicht geschafft dieses Buch aus der Hand zu legen. Zu faszinierend einfach die Schilderungen aus Fansicht, zu gefangen ist man in dem Auf und Ab.

Aber es wartet ja noch das Sechste Kapitel, das "Herzblutfinale". Eine absolut verkorkste Saison neigt sich dem Ende zu, der FCK steht kurz vor dem Abstieg in die neue dritte Liga und der Absturz droht noch weiter zu gehen nachdem finanzielle Probleme immer offensichtlicher werden. Auch wenn das Ergebnis bekannt ist, man leidet mit, klammert sich ebenso wie Rudi Bößler und die restlichen Fans an die Strohhalme namens Stefan Kuntz und Milan Sasic. Ersterer wurde neuer Vorstandsvorsitzender, letzterer löste den erfolglosen Trainer Kjetil Rekdal ab. Soweit ich mich erinnere übrigens nach einer 1:2 Niederlage daheim gegen den TSV, einem der wenigen Siege des TSV in der Rückrunde der Saison 2007/2008. Am letzten Spieltag der Saison kam es also zu einem Fernduell mit den weiteren Abstiegskandidaten FC Augsburg, VfL Osnabrück und Kickers Offenbach. Da der VfL und die Kickers direkt gegeneinander antraten bedeutete ein Sieg den automatischen Verbleib in Liga zwei. Den entscheidenden Moment im Spiel gegen Köln - zum damaligen Zeitpunkt seit 9 Spieltagen ungeschlagen - beschreibt der Autor so:

Bellinghausen, immer wieder Bellinghausen, wir schreiben die 70. Spielminute, eine knappe Minute nach dem Kölner Pfostenschuss: Axel läuft mal wieder auf links durch, die Flanke kommt, die Kölner Abwehr klärt zu kurz und da steht er: Josh Simpson! Mit links - es wird ein Aufsetzer - macht er das 1:0!

Ich glaube, ich hatte es schon einmal erwähnt, ich habe alle großen Spiele hier oben miterleben dürfen, die Spiele gegen Bayern, gegen Real, Barcelona, Göteborg, die 'Lokalderbys' gegen Homburg, Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart und auch Köln, hier war immer die Hölle los, ich habe es auf den zurückliegenden Seiten schon einige Male beschrieben. Ich war auch bei vielen Auswärtsspielen unseres FCK und ich darf sagen, dass bei uns in der Westkurve an jedem Bratwurststand lauter geschmatzt wird, als in den meisten Stadien dieser neumodischen Plastikvereine je an Stimmung sein wird. Mir kann also in Sachen Lautstärke im Stadion niemand etwas vormachen!

Welche Spiele habe ich hier oben gesehen, welche unglaublichen Tore sind hier gefallen, was hat dieses Stadion alles mitmachen dürfen und müssen, und bis vor einer Sekunde hatte ich geglaubt zu wissen, was ein Torjubel ist. Dieser 18. Mai 2008, diese 70. Minute im Spiel gegen Köln lehrt mich das Gegenteil: Dieses Tor, dieses 1:0 durch Josh Simpson fällt, und das Stadion explodiert! Ich habe noch nie eine auch nur vergleichsweise ähnliche Stimmungsexplosion erlebt!

Nach einiger Zeit habe ich mich wieder halbwegs in der Gewalt und schaue mich um. Es ist einfach irre, mit Worten nicht zu beschreiben, ein ganzes Stadion (bis auf die Kölner Fans) ist durchgedreht! Ich schaue auf die Westkurve vor mir und hinter mir, auf die Südtribüne und auf die Nordtribüne, und ich kann einfach nicht glauben, was hier los ist.

Beim Blick auf die Nordtribüne trifft mein Blick auf meinen Stehplatznachbarn links von mir, er weint und er singt und deutet nach links und dann vor sich und nach oben und jetzt merke ich es auch, er hat es jedoch früher festgestellt als ich: Es regnet, wir haben Fritz-Walter-Wetter im Fritz-Walter-Stadion!


Ok, an dieser Stelle musste ich das Buch dann doch mal kurz weglegen. Zu ergreifend einfach diese Schilderung der Erlebnisse. Im letzten Kapitel geht es dann nochmal um die WM 2006 und es gibt einen Überblick über die Erfolge des Vereins und die Spieler.

Neben den Schilderungen seiner Erlebnisse gibt es auch kritische Worte zur heutigen Fankultur zu hören. Ziemlich deutlich gibt Rudi Bößler wieder was er von den immer gleichen Dauergesängen und dem Auspfeifen der eigenen Spieler hält. Manch einem mag das etwas hart oder gar übertrieben vorkommen, ich persönlich kann diese Kritik sehr gut nachvollziehen. Noch etwas zur Zielsetzung des Autors, die Stimmung und den Mythos Betzenberg etwas näher zu erklären. Selbst für einen Anhänger eines anderen Vereins ist die Stimmung im Stadion, ist der Hexenkessel dermaßen authentisch beschrieben, das man sich gut das mulmige Gefühl vorstellen kann mit dem Gästespieler dort spielten und spielen. Mit Wortwitz und einer sehr detailreichen Schilderung versteht es Rudi Bößler einen einzufangen und mitzunehmen, hinauf "uff de Betze". Ein absolut empfehlenswertes Buch also, und außerdem wird vom Erlös ein Euro je verkauftem Exemplar an ein Kinderheim gespendet.
   Kommentieren