Refugees welcome
Freitag, gegen 19:00 Uhr. Das abendliche, eher gelangweilte Klicken führt auf die Seite fluechtlingshilfemuenchen.de. Dort zu lesen: ein dringender Aufruf, dass helfende Hände - unter anderem - am Hauptbahnhof gesucht werden. Worum es geht? Um den so genannten "Flüchtlingsansturm". Oder halt um Menschen die vor Krieg, Hunger, Armut,...geflohen sind und in München ankommen. Die erwähnte Seite ist recht neu und ein guter Anlaufpunkt für alle die schnell wissen wollen, wo gerade freiwillige Helfer und Spenden in München gesucht werden. Es gibt übrigens auch Menschen die vor Ort in Ungarn helfen. Einem der vielen Länder die die Flüchtenden auf ihrem Weg Richtung bspw. Deutschland oder Schweden passieren. Aber das nur nebenbei.

Direkt vor dem Elisenhof haben sich am dort geparkten blauen Streetworkbus schon freiwillige Helfer versammelt die, ausgestattet mit gelben Bändchen (Warnwesten sind aus), Handschuhen und Mundschutz, gen Hauptbahnhof weitergeleitet werden. Zwischenzeitlich hat sich noch eine Freundin gemeldet. Diese arbeitet beim Jugendamt und ist in Rufbereitschaft versetzt worden. Es scheinen wirklich viele Menschen erwartet zu werden. Am Starnberger Flügelbahnhof angekommen, einer vor sich hinrottenden alten Bahnhofshalle, werden die Helfer sofort eingewiesen und eingeteilt. Mit 10.000 Flüchtlingen sei in dieser Nacht zu rechnen, so die Info. Aufgrund des Andrangs wird daher nur noch das "Notprogramm" gefahren. Keine Ausgabe von Kleidung oder warmen Essen mehr. Die Menschen bekommen Wasser, Müsliriegel, Decken und sollen nach einem kurzen medizinischen Check sofort weitergeleitet werden in die Erstaufnahmeeinrichtungen.

An der Getränkeausgabe, an der ich zugeteilt war, war für den Moment genug Wasser vorhanden. Polizei, Helfer, Dolmetscher wuselten herum. Der erste Zug aus Österreich fuhr ein, die Polizei schickte die Geflüchteten zum Flügelbahnhof. Sehr viele Frauen mit kleinen Kindern waren unter den neu Ankommenden. Darunter teils wenige Tage alte Babies. Auf der Flucht geboren. Die Menschen waren in einem fürchterlichen Zustand. Erschöpft, hungrig, durstig, dreckig, frierend. Wer die Nachrichten der letzten Tage mitbekommen hat, insbesondere über den Umgang mit Geflüchteten in Ungarn - Stichwort Röszke - den verwunderte das nicht. Beeindruckend war das Auftreten dieser Menschen. Trotz ihres Zustandes und trotz allem, was sie durchgemacht haben, waren sie höflich, zuvorkommend, würdevoll. Zwei Menschen aus Gambia kamen vorbei und erzählten, sie seien zwei Jahre unterwegs gewesen. Ein Mensch, Mitte zwanzig, wurde im Rollstuhl an uns vorbei gefahren. Ihm fehlten beide Beine. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was diese Menschen alles durchmachen mussten.

Hunderte kamen pro Zug. Die Polizei meinte bereits am Anfang des Abends das damit gerechnet werden darf, dass fast alle Insassen des jeweiligen Zuges aus Österreich Geflüchtete sind. Die Wasservorräte gingen so schnell zur Neige. Als eine neue Lieferung am Starnberger Flügelbahnhof ankam bildete sich sofort aus Passanten eine Menschenkette welche Wasser, Decken, Schlafsäcke weiter reichte. Hektisch wurde es, als die nächsten Züge einfuhren und sich mehrere Hundert Menschen im abgesperrten Bereich einfanden. Von der sonst so beflissen herumeilenden Polizei war in diesem Moment nichts zu sehen. Dank der Helfer wurde das ganze aber in geregelte Bahnen gelenkt. Einer der Helfer zog aus der Masse eine Hochschwangere, bei der scheints gerade die Wehen einsetzten. Die Info erreichte uns, dass die Stadt weitere Quartiere öffnete für die vielen um Schutz suchenden. Eine kurze Atempause war in Sicht, da der nächste Zug erst eine Stunde später erwartet wurde. Die bereits zur Ablösung der seit Stunden tätigen Helfern bereit stehenden packten mit an. Mit den neu Ankommenden konnte - leider nur sehr kurz - auch kurz Kontakt aufgenommen werden. Nur ein Wort für diese Menschen: beeindruckend.

Auf dem Heimweg dann noch kurz am Ausgang des Hauptbahnhofes vorbei gekommen, der zur S-Bahn führt. Dort ist ein großer, abgesperrter Bereich eingerichtet in dem die Menschen kurz medizinisch erstversorgt und dann zu den Bussen geführt werden. Mittlerweile wurde ein Sichtschutz angebracht. Aufgrund des Auftretens der Presse an dieser Stelle scheint dies auch sehr sinnvoll. Ein bisschen Restwürde sollte diesen Menschen erhalten bleiben. Ohne Kamerateams welche auch noch die medizinische Versorgung meinen dokumentieren zu müssen. Auf dem Heimweg gegen 00:30 Uhr viele Partygänger unterwegs. Ein Bild welches surreal anmutet in diesen Tagen.
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