Samstag, 8. März 2008
...kerzen neoliberaler Art
Was ham wir gelacht diese Woche. Aber der Reihe nach. Unser Sturmgeschütz des investigativen Journalismus überraschte diese Woche mit einer brandheißen Meldung, ganz neu, dampft noch.

"Ausgerechnet die Mittelschicht, die wie keine andere soziale Gruppe Deutschland nach dem Krieg geprägt hat, leidet nach SPIEGEL-Informationen unter akuter Auszehrung. Dafür werden die Randzonen der Gesellschaft immer kräftiger."

Was eine Überraschung. Da wäre jetzt von selbst nie jemand drauf gekommen. Und wie weltfremd muss man denn bitte sein um dazu erst eine Statistik heranziehen zu müssen? Andererseits darf auch die Frage erlaubt sein inwieweit das ganze doch bereits fortgeschritten sein muss, damit eine Statistik das Licht der Öffentlichkeit erblickt, welche einigen Lobbygruppen und Stiftungen gar nicht ins Konzept passt. Geht da etwa einer Partei aufgrund ihres wegbrechenden Wählerpotentials der Arsch ein südliches Körperteil auf Grundeis?

"Die Angst vor dem Abstieg greift um sich. Stabil ist die Lage nur ganz unten. Wer einmal dort angelangt ist, hat kaum noch eine Chance, wieder aufzusteigen."

Allen denen jetzt beim hämisch grinsen der Kaviar ausm Mundwinkel hängt sei doch empfohlen mal kurz bei ihren Stiftungen nach dem rechten zu schauen. Bevor man sich noch in der Presse wiederfindet.
Angst vor dem Abstieg? Aber sicher doch. Jahrelang wurde von den Wirtschaftsweisen und anderen Vertretern der Lobbygruppe "zum goldenen Aktienportfolio" das übliche Mantra vorgetragen. Jeder solle doch bitte mehr arbeiten für weniger Geld um seinen Arbeitsplatz zu sichern. Diejenigen die dann doch leiderleiderleider ihren Job verloren.....mei, Pech gehabt, Konkurrenzdruck eben. Und wer jammert der soll doch bitte mal sein Gehalt mit dem eines Äthiopiers vergleichen. Der verdient viel weniger und ist dabei noch glücklich. Und wenn der Äthiopier tot umfällt hat er wenigstens noch genug Kinder gezeugt die seinen Arbeitsplatz einnehmen. Nur wir Deutsche sorgen in der Hinsicht eben nicht für diesen nachwachsenden Rohstoff welcher zunehmend verblödet, gewalttätig wird und sich einfach nicht dem goldenen Kalb des Wirtschaftsliberalismus opfern will. Schlimme Sache das.

Wer arbeitslos geworden ist möge doch bitte flexibel bis zum abwinken sein, unbezahlte Praktikantenstellen annehmen, zu einem Gehalt arbeiten welches dem Äthiopier schon wieder ziemlich nahe kommt. Der Arbeitslose soll sich vorschreiben lassen was er zu essen hat, ihm werden die Zuschüsse für Bewerbungen gekürzt, er muss sich von Behörden gängeln lassen bis zum abwinken, wartet monatelang auf ihm zustehende Leistungen und ist außerdem fett, faul, unflexibel und viel zu teuer. Bei dem was ein ALGII-Bezieher heutzutage an Regelsatz bekommt wundert es mich persönlich sowieso warum noch nicht der erste umgekippt ist. Aber zuerst mal schön alles mögliche an Leistungen zusammenstreichen und dann später draufhauen wenn der Arbeitslose weder die Zeit noch die Kraft aufbringt Eigeninitiative zu zeigen. Wer den bösen Fehler gemacht hat zu seiner Zeit als arbeitendes und sich ausbeuten-lassendes Wesen Werte zu schaffen (Haus, Auto, Plasma-TV) auf den wartet dann seit HartzIV eine weitere nette Überraschung. Diese Werte werden angerechnet auf die Leistung vom Amt, sind also zu verbrauchen. Vorher gibts gar nix.

Und Vorhaltungen und Vorurteile a la "der blede HartzIVler hot mehra wia i dahoam".....ja, ganz toll wie diese Neiddebatte funktioniert. Spitze dieser Neid auf diejenigen die noch weniger besitzen als man selbst. Verhindert im übrigen eine Beschäftigung mit den tatsächlichen Ursachen und Problemen und gehört ganz nebenbei zu den ganz reizenden neoliberlanen Nebelkerzen. Ebenso wie dieses weltfremde Geschwurbel von "Flexibilität, Mobilität, Wieterbildung, Ausbildung". Hört sich doch toll an, oder? Ich investiere jetzt von meinem (seit Jahren nicht mehr gestiegenen, siehe oben) Gehalt in Bildung, Auto, Führerschein, nur damit mir dann ein frisch von der Uni geschwappter BWLer breit grinsend ins Gesicht sagt ich wäre überqualifiziert und vor Ort hätte er genug Bewerber und zu alt bin ich sowieso und ich verlange ja mehr Geld als irgend ein Asiate/Schwarzafrikaner......Auch hier, ein Mentalitätswandel angebracht. Aber lieber wird das übliche Mantra vorgetragen, lieber wird auf andere eingedroschen anstatt mal vor der eigenen Haustür zu kehren.

"Trotz des Aufschwungs machen sich aktuell drei Viertel aller Deutschen Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Noch vor sieben Jahren lag diese Zahl zehn Prozentpunkte niedriger. Der Mainzer Sozialforscher Stefan Hradil spricht von der "Angst, die die Bürotürme hinaufkriecht"."

Jaha, der Michel macht sich Sorgen. Und hält die Füße still, lässt sich auf Scheingefechte ein, lässt sich aufwiegeln von den Lobbymedien mit den großen Buchstaben, lässt sich blödrieseln vom Untertschichtenfernsehen.......naja, kann er sich ja schomma an sein baldiges Los gewöhnen. Schonmal probeliegen im neuen Milieu. Der ein oder andere flüchtet sich dann in extreme Gruppierungen bzw. lässt sich von brutalstmöglichen Rattenfängern verleiten. Und diejenigen welche sich angeblich die Belange des kleinen Mannes ans Revers heften, verstricken sich in Grabenkämpfe und verlieren dabei den Kontakt zu denjenigen, in deren Dienst sie stehen sollten.

Bleibt abzuwarten ob nun bald brasilianische Verhältnisse einkehren. Die Rufe der Besitzenden nach mehr Schutz sind ja bereits überdeutlich zu vernehmen.
   Link (0 Kommentare)   Kommentieren