Dienstag, 14. Oktober 2008
Polizeistaat und Co......
In der morgigen Süddeutsche Zeitung erscheint dieser Artikel, besten Dank an die Autorin dafür. Ich möchte aus der Sicht eines direkt Beteiligten kurz einmal meine Sicht der Dinge schildern:

Es war mal wieder Derbyzeit in München-Giesing, denn die Jugendmannschaften des TSV 1860 München traf auf die des FC Bayern. Ein typischer nasskalter Dezembertag und das Spiel der damaligen Regionalliga Süd taugte ebenfalls nicht gerade zum Aufwärmen. Wie es bei Derbys so üblich ist, achtet die Polizei natürlich auf strikte Fantrennung und ist in Massen vertreten. Waren es während des Spiels noch recht locker herumstehende grün gekleidete Polizisten welche sich im Stadion blicken ließen, wurden diese jedoch in Halbzeit zwei sukzessive durch schwarz gewandete USK-Kräfte ersetzt. Das verhieß nichts gutes. Allein das martialisch anmutende Auftreten der USKler ließ schlimmes befürchten.

Kurz vor Spielende wurde über den Gästeblock des Grünwalder Stadions, also die gesamte Westkurve eine Blocksperre verhängt. Niemand durfte mehr den Block verlassen. Ich konnte selbst einen verzweifelten Vater beobachten welcher mit weinendem Kleinkind an der Hand darum bat endlich aufs Klo gehen zu dürfen, aber nichts zu machen. Für die hervorragende Planung des Polizeieinsatzes spricht natürlich das selbst der Innenbereich der Westkurve gesperrt war welcher sich von außen kinderleicht hätte abriegeln lassen. Ja, es wären viel weniger Polizisten vonnöten gewesen dazu, als wenn man nun in Mannschaftsstärke im Block steht. So standen die Fanmassen dichtgedrängt und frierend im Block. Anfangs noch gut gelaunt Sprechchöre brüllend, aber mit der Zeit wurde man dann doch unruhig. Frauen, Kinder, Jugendliche, allesamt waren sie dazu verdammt auszuharren und die Blase im Zaum zu halten.

Nach endlos erscheinenden 40 (VIERZIG!!!) Minuten wurden dann ruckartig (!!!) alle Eingänge der Westkurve geöffnet und die Fanmassen strömten heraus. Der Ausgang den ich nutzte war etwas abseits und so ging es recht fix in den Außenbereich. Zu meiner rechten, wo es zu einem größeren Andrang kam waren bereits Tumulte und Geschrei zu vernehmen. Was dort geschah ist im Artikel der Süddeutschen gut nachzulesen. Nach Verlassen des Stadioninnebereiches wurde man direkt Richtung des Fußgängerüberweges über die Candidstraße geschoben. Dies wäre der einzige Weg gewesen der die Massen bewätligen hätte können. Allein......vor diesem Weg hatte sich eine Kette USKler aufgebaut und diesen abgesperrt da sich angeblich vor dem Wienerwald, welcher sich hinter diesem Übergang befindet, noch Fans der gegnerischen Mannschaft befanden.

Und so stand man nun vor dem Stadion. Vor einem eine Polizeikette, von hinten drücken weitere Fans nach, links von einem ein niedriges Geländer hinter dem es den Giesinger Berg - an der Stelle eher ein Abhang - relativ steil hinabgeht. Und zur linken, zur Stadionseite? Dort kamen ebenfalls immer mehr Fans aus dem Stadion gehastet. Die meisten sichtlich verstört und in Panik. Ein recht junger Fan kam aus dem Stadion, schaute sich immer wieder panisch um und achtete gar nicht auf den USKler an dem er vorbeilief. Der USKler nahm die Gelegenheit wahr und zückte das Pfefferspray um es dem Fan ins Gesicht zu sprühen. Grund? Keiner zu erkennen. Wirkung dagegen sofort sichtbar. Der Jugendliche krümmte sich zusammen und stolperte gen Abhang. Kurz davor streckten sich ihm helfende Hände entgegen, natürlich aus Fanreihen, keine Polizistenhände. Diese verhinderten das er über das Geländer fiel.

Spätestens jetzt brach Panik aus und einige der vor dem Stadion Eingekeilten, darunter auch ich, sprangen über das kleine Geländer und rutschten - teils auf dem Hosenboden, teils auf allenvieren - den Giesinger Berg hinab. Ein Wunder das dabei sich niemand verletzte bzw. keiner gleich durchrutschte bis zur Candidstraße und dabei vor ein Auto. Zum Glück hatte ich es nicht weit bis daheim, dort ging es auch erstmal ans Waschen und Verarzten. Auf sich sitzen lassen, das wollten nur die wenigsten. So kam es das 10 Löwenfans, unter tatkräftiger Hilfe der Löwenfans gegen rechts einfach mal den Spieß umdrehten und Strafanzeige stellten gegen die Polizei.

Da die Mühlen der Justiz bekanntlich sehr langsam mahlen dauerte es natürlich bis Mitte dieses Jahres bis auch ich meine Aussage tätigen durfte. Erfolg durfte man sich natürlich keinen versprechen und bereits bei meiner Aussage wurde mir klar gemacht das sich mit Sicherheit keine einzelnen Beamten als Täter identifizieren lassen könnten. In Zeiten von totaler Überwachung natürlich ein Witz. Fortlaufend wird man auf Schritt und Tritt im Stadion gefilmt, ja selbst auf den Klos im Grünwalder Stadion hing für kurze Zeit eine Kamera bis diese nach berechtigten Protesten abgehängt wurde. Die Ermittlungen also dauerten an......und nun also die Info das das Verfahren von der Staatsanwaltschaft München I eingestellt wurde, wenig überraschend.

Im Wochenanzeiger wie auch im oben verlinkten Artikel der Süddeutsche wird bereits aufgelistet zu welch "Versäumnissen" es kam, daher verzichte ich hier auf eine weitere Aufzählung. Auch wenn es zur erwarteten Einstellung des Verfahren kam, so wurde doch ein Teilerfolg verbucht. Zum einen wurde ein deutliches Zeichen gesetzt das sich der Fan nicht alles gefallen lässt von den Gewalttätern unter den Beamten. Zum anderen kam es doch auch zu erstaunlichen Berichten in den lokalen Blättern. Üblich ist das man den Fan als solchen vorverurteilt und damit Polizeigewalt relativiert, ja als notwendig hinstellt. Dieses Bild gehörte dringend korrigiert was mMn auch geschehen ist.

Allein die Urteilsbegründung spricht bereits für sich. Ich zitiere mal ganz kurz

Unter Gesamtwürdigung dieser Darstellungen geht auch die Staatsanwaltschaft davon aus, dass es zu Tätlichkeiten seitens der eingesetzten Polizeibeamten gekommen ist. Insbesondere bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung Zweifel zu hegen, dass auch die mitgeführten Schlagstöcke zum Einsatz gebracht wurden. Dennoch war das Ermittlungsverfahren diesbezüglich einzustellen, da eine Individualisierung einzelner Beamter trotz umfangreicher Ermittlungen nicht möglich war.....Die Einsatzkräfte waren sämtlich einheitlich gekleidet (Bereitschaftspolizei Dachau in Grün, USK in dunkelblau) und nicht durch Namen oder Identifikationsnummern zu individualisieren.

Kein Wort der Entschuldigung von seiten der Polizei, keinerlei Rückendeckung von seiten des Vereins, des TSV. Ein Schlag ins Gesicht für jeden Fan

Update:
Stellungnahme des TSV 1860 München zum Ermittlungsverfahren gegen Beamte des Unterstützungskommandos (USK) der Münchner Polizei


Die Verantwortlichen des TSV 1860 München haben bereits am 20. Dezember 2007 mit der Polizei München um Aufklärung und Transparenz der Vorkommnisse beim Derby des TSV 1860 München II gegen den FC Bayern München II (9. Dezember 2007) gebeten. Damals wurde uns zugesichert, dass die Polizei die Vorwürfe intern aufarbeiten und uns nach Abschluss der Ergebnisse informieren wird. Das ist bis heute leider nicht erfolgt.

Da die Vorwürfe der Fans – nun auch durch die Darstellung der Staatsanwaltschaft – begründet erscheinen, drängt der TSV 1860 München erneut darauf, dass die Vorkommnisse lückenlos aufgearbeitet werden.

Wir suchen weiter das Gespräch mit allen Verantwortlichen. Im Interesse des TSV 1860 München und seiner Fans muss hier Klarheit und Aufklärung geschaffen werden.


Da sich die Ereginisse förmlich zu überschlagen scheinen gibts nun Update II

Wie die Süddeutsche Zeitung soeben meldet werden die Ermittlungen wieder aufgenommen
   Link (0 Kommentare)   Kommentieren