Dienstag, 17. März 2015
Nazis, Nazihools, alle komplett unpolitisch


„Bagida“, diesen bayerischen Ableger von „Pegida“, gibt’s auch noch. Nach zwischenzeitlich deutlichem Einbruch der Teilnehmerzahl ging es die letzten beiden Male wieder bergauf. Über den Gegenprotest schimpfte ich im vorherigen Beitrag bereits. Das ist nicht mehr nötig, den Gegenprotest gibt es praktisch nicht mehr. Zum Ausgleich sind Löwenfans zusammen mit Rechtsterroristen eifrig bemüht mittlerweile die wenigen, die sich zum Gegenprotest versammeln nicht nur mit Anti-Antifa-Methoden auszuspähen, sondern es kommt auch zu Übergriffen. Aber eins nach dem anderen.

Bagida/Mügida/NoBagida

Als in Dresden die Teilnehmerzahlen von „Pegida“ von Rekord zu Rekord jagten konnte man sich in der Hauptstadt der Bewegung…pardon…in München gar nicht genug beeilen, dem nachzueifern. So gab es gleich zwei Ableger von „Pegida“. Und wie es in der Szene der so genannten „Islamkritiker“ so üblich ist, waren sich die beiden Organisationen spinnefeind. „Mügida“ wurde von Aussteigern der rassistischen Kleinstpartei “Die Freiheit“ organisiert. Der Zuspruch allerdings war überschaubar. Neben Fritz Schmude, Stadtrat der AfD, Stefan Werner, Alleinunterhalter bei „Pro Bayern“ und auf nahezu jeder Demo anzufinden welche nur rassistisch genug ist, sammelten sich nur wenige weitere Teilnehmer. Der Gegenprotest war schon damals im Dezember 2014 recht überschaubar. Während sich weit außerhalb von Hör- und Sichtweite zu „Mügida“ tausende Münchner selbst feierten durfte der Gegenprotest zu den Fans des antimuslimischen Rassismus von Passanten im grauenhaften sächsischen Idiom beschimpfen lassen. „Mügida“ beschränkte sich immerhin noch auf das Feindbild Islam, „Bagida“ ging da bald sehr viel weiter.

Während sich die Teilnehmerzahl bei „Mügida“ bald nicht mal mehr im zweistelligen Rahmen bewegte und man es ganz bleiben ließ, sammelte „Bagida“ noch seine Kräfte. Kleiner Zeitvertreib und scheints unvermeidlich: das Stricken von Verschwörungstheorien. Auf dem offiziellen Facebook-Account von „Bagida“ ging es noch vor dem Start rund und den Veranstaltern von „Mügida“ wurde unterstellt, sie seien „Linksextremisten“, natürlich „bezahlt und ausgesandt um unserem Ruf zu schaden“. Vermutlich wollte man mit dem doch recht offensichtlichen Misserfolg nicht in Verbindung gebracht werden, sondern selbst ein Zeichen setzen. Dies gelang bereits beim ersten Auftritt. 1500 Rassisten sammelten sich um, na wen wohl, Michael Stürzenberger . Dessen Erfolgsbilanz in der Szene der „Islamkritiker“ ist mehr als beachtlich. Nicht nur schaffte er es, aus einer rassistischen Kleinpartei eine rassistische Kleinstpartei – beobachtet vom Verfassungsschutz – zu machen, nein, er fuhr auch noch nacheinander seine Kandidatur zum Stadtrat und ein Bürgerbegehren gegen ein geplantes Islamzentrum an die Wand. All dies mit ausreichend Schwung und Getöse versteht sich.

Vielen Münchner ist Stürzenberger durch seine über Wochen und Monate nahezu täglich abgehaltenen „Infoveranstaltungen“ ein Begriff. In der Fußgängerzone, am Marienplatz oder vor Einkaufszentren versuchte der umtriebige selbst ernannte „Aufklärer“ Stimmen für sein Bürgerbegehren zu sammeln und, nun ja, aufzuklären. Die Aufklärung bestand überwiegend in stundenlangen Monologen ohne Punkt und Komma und in ohrenbetäubender Lautstärke. Letzteres sorgte für Unmut bei Anwohnern und Gewerbetreibenden und sorgte für Redezeit- und Lautstärkebegrenzung was zu gar lustigen Diskussionen von Stürzenberger mit der anwesenden Polizei sorgte. Und selbst bei der Protestaktion von Geflüchteten am Rindermarkt waren sich Mitglieder der „Die Freiheit“ nicht zu blöde dort Unterschriften für ihr geplantes Bürgerbegehren sammeln zu wollen. Natürlich nicht ohne gegen die Geflüchteten zu hetzen. Am Stachus beließ man es dann bei ähnlicher Gelegenheit bei Hetze zusammen mit „besorgten Bürgern“. Nach den bereits angesprochenen Niederlagen bei der Stadtratswahl 2014 und mit dem Bürgerbegehren war es das wenigstens mit der Ruhestörung in der Innenstadt, die Hetze bei pi-News ging natürlich nahtlos weiter. Und wer glaubte, dass der Vorsitzende der „Die Freiheit“ sich nun enttäuscht zurückziehen würde sah sich allerdings schon sehr bald eines besseren belehrt.

Fußballfans, ganz unpolitisch

Wie gerufen kamen nämlich „unpolitische“ Fußballfans und sorgten in Köln, Hannover und Wuppertal für Aufsehen. Und auch „Pegida“ kam langsam ins Rollen, wenn auch vorerst nur in Dresden. Stürzenberger, umtriebig wie er ist, ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und trat vor den Hooligans in Hannover als Redner auf und reiste mitsamt einiger Mitstreiter mehrmals nach Dresden wo er sich dann auch vom ZDF als „besorgter Bürger“ interviewen ließ. Allerdings war er damit nicht der einzige Münchner, den die Reiselust packte. Auch Fans des TSV ließen es sich nicht nehmen und reisten nachweislich mehrmals den „Hooligans gegen Salafisten“ hinterher. „Brigade Giesing“ nennt sie sich, diese Organisation von Fußballfans welche sich strikt „gegen Politik beim Fußball“ aussprechen, sich selbst als unpolitisch sehen und gegen jeglichen Verdacht zur Wehr setzen, in „die rechte Ecke gestellt“ zu werden. Sie sind allerdings nicht die einzigen Löwenfans die sich so klar positionieren. Aus den Reihen der Ultra-Gruppierung „Cosa Nostra“ war die Zustimmung zu „HoGeSa“ und „Pegida“ ebenso wenig zu überhören wie von anderen Gruppierungen wie beispielsweise der „Blue Lions Forstenried“ und anderen. Dass es sich hierbei um, wie bereits angesprochen, Gruppierungen handelt, welche sich „gegen Politik beim Fußball“ aussprechen ist durchaus bemerkenswert, wirft es doch ein Licht darauf was mit dieser Forderung gemeint ist. Die Machtkämpfe innerhalb der Fankurve dürften hier sehr spannend werden und es bleibt wirklich zu hoffen, dass antirassistisch organisierte Fans die Oberhand behalten falls sich mal wieder Rassisten, „unpolitische Fußballfans“ und ähnliches zusammen schließen.

Zurück zu „Bagida“ und deren „Spaziergängen“ durch München. 1500 Menschen versammelten sich also bei der allerersten Veranstaltung. Darunter waren mindestens 200 organisierte Nazis zu finden. Eine Zahl welche übrigens durch die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München bestätigt wurde. Zu übersehen war der Nazi-Pulk nicht. Zum größten Teil vermummt, in szenetypischer Kleidung und mit martialischem Auftreten zogen sie durch München, griffen außerhalb des „Spazierganges“ Reporter und (vermeintlich) Linke an und ließen sich dabei selbst durch die Polizei kaum stören. Die war natürlich mit dem Gegenprotest vollauf beschäftigt und hatte so kaum Kapazitäten frei, die Nazihorde in den Griff zu bekommen. Muss man verstehen. Unter den Nazis bei Bagida fand sich nahezu alles was im Umkreis von 300km in deren Kreisen Rang und Namen hat. Mitglieder von „Der III. Weg “, Nachfolgeorganisation der verbotenen Organisation „Freies Netz Süd“ gaben sich ebenso ein Stelldichein wie Kader der NPD, Kameradschaftler und Rechtsterroristen aus dem Umfeld des NSU. Vom Gerichtssaal zum „islamkritischen“ Spaziergang eben. Ach und christliche Fundamentalisten durften auch nicht fehlen. Und Deutschlandfähnchen. Und Protest „gegen Genderwahn“. Aber wenigstens waren keine Löwenfans anwesend, so die Meinung manch führender Persönlichkeit der bereits genannten Ultra-Gruppierung. Die nicht vorhandenen Löwenfans waren sogar in Fankleidung anwesend und versuchten ebenfalls auf die Pressevertreter los zu gehen. Direkt neben den Nazis bei „Bagida“ mitspazierend: Rassisten welche „Nazis raus“ gen Gegenprotest plärrten. Denn Nazis, das sind die anderen. Immer.

Vom gesundschrumpfen und netzwerken



Seitens Stürzenberger und der Bagida-Orga wurde, was die Nazis betrifft, kräftig rumgeeiert. Kennt man ja aus dem Stadion. „Nazis gibt’s nicht“, „Hab keine Nazis gesehen“, „So lang sie friedlich sind dürfense ruhig mitlaufen“. In genau der Reihenfolge. Der Gegenprotest zu „Bagida“ schlief in der Folgezeit komplett ein. Das „Ätsch, wir sind mehr“ verstummte ob der Realität zusehends. Zwar schrumpfte auch „Bagida“, aber zumindest nicht gar so kräftig. Stürzenberger ist ja nicht unbedingt für besonders diplomatisches Vorgehen bekannt und so kam es, dass fränkische Nazis sich zuerst von „Bagida“ zurückzogen. „Der III. Weg“ wiederum zieht es scheints zum größten Teil auch vor, eigene Veranstaltungen abzuhalten wie kürzlich am Giesinger Bahnhof. Im Umfeld der „Kundgebung gegen den Volkstod“ (fragt nicht) übrigens: die bereits erwähnte „Brigade Giesing“. Fleißig am Gegenprotest abfotografieren und rumschäkern mit beispielsweise Karl-Heinz S., bekannter Rechtsextremist. Erwähnte „Brigade Giesing“ übrigens ließ sich selbstverständlich auch bei „Bagida“ blicken. Natürlich nicht direkt unter den Rassisten, auch wenn man deren Ziele mit Sicherheit teilt. Denn „Bagida“, so zeigte sich die letzten Wochen, schrumpfte zwar von der Teilnehmerzahl, die Wortwahl wurde jedoch zunehmend martialischer und die Themenfelder breiter. Von der anfänglichen „Islamkritik“ geht es nun zusehends um „Überfremdung“ und das lautstarke verbreiten rassistischer Klischees gegen alles, was nicht ins deutschnationale Weltbild passt.

Aktuell scheint die Anzahl derer, die wöchentlich beim Rassistenmarsch teilnehmen, wieder zuzunehmen. Von den anfänglich 1500 Teilnehmern ging es zwischenzeitlich auf gut 100 bergab, nun sind es wieder um die 150-200 Teilnehmer. Wie bereits beschrieben sind es aber nicht nur die Bagida-Teilnehmer selbst, die mitzuzählen sind. Auch im Umfeld der Spaziergänge befinden sich Rassisten, welche mittlerweile es nicht nur beim Fotografieren des Gegenprotestes belassen. Thomas Sch. Bekannter Rechtsterrorist wird da schon einmal handgreiflich und zusammen mit – Überraschung – der „Brigade Giesing“ werden die „Linken“ angegriffen. Unpolitische Löwenfans gemeinsam mit Rechtsterroristen Hand in Hand. Durchaus interessante Entwicklung und auch nicht sonderlich überraschend. Neben erwähnter „Brigade Giesing“ gibt es in der Fanszene des TSV natürlich, das haben „Bagida“ und „HoGeSa“ gezeigt, unzählige vermeintlich unpolitische, welche zur Not auch mal Jagd auf vermeintlich Linke, Pressevertreter und andere Personen machen, die nicht in ihr Weltbild passen. Und, genau wie in München, ist in der Fanszene die Anzahl derer, die sich dem entgegen stellen verschwindend gering bis fast nicht vorhanden.
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